Team med-ipflege

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Gut aufgehoben

Dienstag, 2. Februar 2021

Das Pflegerische Subjekt Teil 27 [n] - Micrologik, Microraum und Microstoria

 



Micrologie / Mikrologik


An die Stelle von obsolet gewordene, 

gelöschte Linearität und Kontinuität – 

Kategorien, welche angesichts einer 

postmodernen condition humaine 

bedeutungslos werden, 


werden alte Zuschreibungen 

überschrieben, wie ein

Magnetspur auf eine Diskette. 


Die "Erkundung der

Conditio humaine"

wird von Auftrittsmenschen

im Care-Sektor gerne und

galant nach Montaignes

[radikale] Reflexionen

und Maximen in Re:formatorische

Bekenner-Perspektive erfasst

und entsprechend das

Deutungsschema von Charles Taylor ("Quellen des Selbst" Ffm. 2018, S. 319 ff)

gedeutet und realisiert.


Kreisende Bewegungen 

treten auf, die sich dadurch 

auszeichnen, dass Inskriptionen

den eigentlichen Kern

immer wieder aufschieben

und schließlich ganz aussparen

weil alltägliche Pflege- und 

Lebensverläufe geprägt sind 

von Unvollständigkeit,

Fragmentarisches,

Sprunghaftes und Prothetisches. 


Die kleinsten innerweltlichen

und intrasituative Züge

erhalten absolute Relevanz

im Pflegeverlauf.


Denn mit mikrologische Blick 

zertrümmert wirksamer,

realerPflegepräsenz

in Caringprozessen 

die Schalen des

vermeintlich 

hilflos Vereinzelten. “Wir stellen fest, dass die <Micro>- Dimension kein besonderes Privileg genießt. Es kommt aufs Prinzip der Variation selbst an, nicht auf die Entscheidung für einen bestimmten Maßstab” (Jacques Revel in: ‘Microanalyse et construction du social’ ein Beitrag aus der Zeitschrift Jeux d’échelles (Zitiert in: Paul Ricoeur, “Gedächtnis, Geschichte, Vergessen,” München, 2004, S. 322)




Transposition


Stets stellt sich die

topoloische Frage (wo)

das pflegerisch Subjekt 

sich selber sieht. 


Eingewickelt mit feingesponnene 

Fäden innerhalb ein selbstgestricktes

Kokon ist verwandelnde 

Transposition programmatisch 

erreichbar in dem Maße, 

wie es gelingt diese Hülle aus

verworrene und verquerte

Strukturen aufzubrechen und

seines gelingt das Pflegekonzept

einer Daseinsversorgung als

“prothetische” zu zertrümmern.


Gehegte und gepflegte Beihilfe

auf sinnfreie Handlungsbahnen lassen

kostspielige Unterstützung effektlos 

versanden, indem man der Sache 

nach zwar hilft (funktionale Abhilfe),

aber den Menschen

damit nicht gedient wird. 


Anpassung an maladaptiven 

Gestelltheit als mundgerechte

Dienstleistungsangebot,  

die das pflegerisches Subjekt 

als 08/15 Paket nur noch 

schlucken muss,

ist der Tod im Topf bei 

zukunftsgestaltender

Pflegepräsenz. 





Palimpsest


Transpositionen realisieren,

strategische Veränderung in

siegreich in Bewegung zu bringen

hat einen Haken

und einer Öse.


Der Haken ist methodisches Zaudern 

als Strategie; Auftritt im

Modus Fabianus Maximus -

ohne Aktions-Allergien. 

Joseph Vogl spricht von eine "Artistik des Auswegs"

wenn, beispielsweise, Pflegeprobleme nicht "aus der Welt geschaffen werden"

sondern Sachzwänge schlicht umgangen werden

mit behuf kongruente Auswegsstrategien oder

angemessene und angepasste Bewältigungsstrategien.


Die Öse (oder Nadelohr) ist das pflegerische Ereignisfeld.

Der Feld-Begriff ist dabei irritierend.

Denn das aufwärtsstrebende,

himmelweltsführende

pflegepflichtige Handlungsfeld

besteht aus micrologische Labyrinthen 

und Hemm-Schwellen; der Weg im

Pflege-Paradies trägt Dantes

Signatur: bunt, bebildert aber

selten oder nie einfach.


die zu bewältigt werden wollen

um mit gelingender Pflege

schwierige Lebensstrecken

nach Bunyans progressiver

Lebensart erfolgreich zu Überwinden. 


Denn mikrologischer Auftritt mit

idiosynkrastische, (“eigentümlicher) Prägung

ist sich dessen immer bewusst, dass,

methodisch gesehen,

“jeder Wissensgegenstand ein 

Palimpsest ist (Vogl).”


Michel Certeau meint genau dieses,

wenn er in sein 'Kunst des Handelns' auf S. 101

spricht von "der Fiktion der leeren Seite"

(wir schreiben immer über etwas Geschriebenes);

es gibt keinen Bereich in unser Leben, kein einziger Sozialraum mehr die nicht von Text

und Kontextualtität umfangen wäre;

das Smartphone ist in den ärmsten Hütten Afrikas genauso präsent wie in den unzähligen Räumen der

kryptischen und kaptitalistischen Wolkenkratzer,

die den Skyline von bankenmetropole Ffm ausmachen.


Gerade weil das moderne Pflegebett in

postmoderne, digitaler Textualtität eingebettet ist,

kann überhaupt health-literacy Thema

werden und auftrumpfe mit das Internet of Things .


Eine micrologische, idiosynkratische
Pflegetheorie hat immer

“ein paganes Wissen im Blick,

wenn <pagan>, 

herkommend von lat. pagus,

[sich auf einen lokalen,

abgegrenzten Bezirk beziehend]

und keineswegs globalisierend

'Heidentum' oder, feiner etikettiert,

agnostische Aufklärung umschreibt.


Pflege-Palimpsest Palimpseste sind überkritzelte alte Texte.

Auf wertvolle Pergament

"für die Ewigkeit geschrieben".

Altes aus der Antike abgekratzt

um sie zu überschreiben mit neue, "wichtige" Texte. Das Verfahren nennt sich Palimpsest. Wir kennen ähnliches auch von alte Disketten, aus Floppylaufwerke. Stand ein Speichermedium nicht mehr zur Verfügung,

wurden kurzerhand alte Dateien

gelöscht und neu überschrieben. Ohne Abkratzen - weil Daten

auf magnetisierten Spuren

digital eingespeichert lagen, die ebenfalls digital gelöscht werden können. Was beide Systeme mit Pflege verbindet ist folgendes: die überschriebene Textur hat das Zeug, wesentlicher und wichtiger zu sein als der nachherig "aufgepropfter" Datensalat. Eifrige Mönche packten auf antike Meisterstücke bedeutungslos gewordene "Heiligen-Legenden"

und fromme Geschichten. Da Papier und Pergament fehlten erfolgte probate Behelf bei (aus heutiger Sicht) Belanglosem. Genau auf diese Pointe verweist

Pflege-Palimpsest: in der Lebenswelt

der Pflegebedürftigen wurde viel zu oft,

vor der Fall als Pflegefall an selbstgeschmückte "Heiligenlegende" gestrickt. Gespickt mit aufgehübschte Selfies und aufgemotzte feel-good-lifestyl; alles brutal zu Makulatur vergoren

und unbrauchbar im Fall einer Pflegefall.

Was Übrig bleibt: die Spuren der [Selbst- + Fremd-] Erziehung, die elementare Bahnen, auf deren Schienen das Leben begehbar und lebenswert machten. Das was immer schon zählte.


Tragfähige Lebenswege ohne

permanente überkandidelte Zuckerguß

gilt es als Palimpsest wieder zu erschließen. Um sinnstiftende und zweckgerichtete Muster einer Alltagsbewältigung zu eröffnen: das macht Pflege aus:

auf alte, krumme Lebensbahnen

richtig und geradeaus

Pflege neu zu gestalten.

Ohne abkratzen des Belanglosen

gewinnt Pflege kein Belang,

erhält keine Bedeutung, und

bleibt Pflege nur dick aufgetragene

starr standardisierte Maskerade;

Kosmetik statt Unterstützung.

Gut, das aus den dicken Pelz unsere aufgemotzte Heiligenlegenden,

sich Spuren unverfälschte anwendbare Lebensstrukturen erneut wieder herauslesen lassen um originäre Lebensqualität zu erzielen. Gestaltet mit moderne, plausible und Evidenz basierter Pflegepaxis.


Dies impliziert die Bereitschaft,
es mit der Komplexität des Wirklichen
sehr ernst zu nehmen.
Zum Methodenideal wird ein Werk,
„das an jedem seiner Knotenpunkte“ (Vogl),
bevor es sich dann tatsächlich festlegt,
die Mannigfaltigkeit aller Möglichkeiten
zu zeigen in der Lage wäre,
wie man es hätte fortsetzen können.

Vogls „Über das Zaudern“ (sehr lesenswert)
zitiert in diesem Sinne Paul Valéry,
macht aber auch Robert Musil mit dessen Stichwort
der „phantastischen Genauigkeit“
zum Gewährsmann eines Positivismus,
der den Bestand der Realitäten
schlicht dadurch hinterfragt,
dass er sie im Horizont eines
Wirklichseins des Auch-Möglichen
so brutal wie möglich durchvariiert – was dann
hineinführt in eine „Universalgeschichte der Kontingenz“.

Deren Werkzeugkoffer mag Poesie und Philosophie
wie auch Archivforschung verbinden.
Jedenfalls werden wirklichkeits- und
machttheoretische Abstraktionen riskiert,
während zugleich doch das Konkrete maßgeblich bleibt.

Pflegephilosophie, pragmatisch als Inskriptionen
in palimpsestartig strukturierte Pflegeprozesse
könnte in Anlehnung an  Günther Anders
beiläufig auch
 „Gelegenheitsphilosophie“ genannt werden.
Ein „Philosophieren, das, und zwar
aus philosophischen Gründen, 

von singularen empirischen Tatsachen“ ausgehend „sich gewissermaßen im Senkrechtstart in den Himmel“ erhebt;

hier, in diesem Kontext einer Health-Literacy
möglicherweise mehr als nur "wahlverwandt."
Denn „Gelegenheit“ meint nicht etwa
flüchtig Unwichtiges. Vielmehr geht es
um das Anstoßhafte dessen,
was das ausmacht,
das wir „kritisch“ nennen (und finden).

"Gelegenheitsphilosophie" will nicht irgendwo an­setzen,
sondern an „empirisch“ genannten Bruchpunkten,
an das pfdegerische Ereignis - an die "Gelegenheiten." 

Am pflegerischen Durchgangspunkt (OODA-Loop)
an denen sich die Unselbstverständlichkeit des 

faktisch Gegebenen im pflegerischen Ereignisfed zeigt
und in durchaus fundamental realitätsskeptischer
Weise evidenz basierte, praktische Pflegeforschung fordert.
Wobei Pflegephilosophie sich verweigert alle Vorerklärungen,
denen Metaphysisches anhaftet,
ebenso wie eine neutralisierende
(etwa naturwissenschaftliche, sozialstatistische
oder psychologische) Expertise oder den
politischen Sachzwang.
Sei dieser ein staatliches Oktroy oder
ein „weiches“ Regime, das auf Anreizen
und Mehrwertversprechen aufsetzt.


Abschließend sei auf Reckwitz (Das hybride Subjekt) vewiesen.
Er rekonstruiert Subjektformen für die Moderne,
für die er drei sich ablösende
hegemoniale Subjektmodelle unterscheidet:

  1. Das »moralisch-souveräne Subjekt« der bürgerlichen Moderne,
  2. das »nach-bürgerliche Angestelltensubjekt« der organisierten Moderne
  3. und das »konsumtorische Kreativsubjekt« der Postmoderne. 


Er hebt dabei auf den umkämpften Charakter, 

die Hybridität und die Diskontinuität dieser Formationen ab: 

Subjektkulturen werden sichtbar gemacht als 

»ein Palimpsest von kulturellen Versatzstücken der Subjektivität« (S. 15) 

und von der »selektiven Verarbeitung des Früheren im Späteren« (S. 88).


Dies ermöglicht nach Reckwitz immer wieder 

die Bildung von Gegenbewegungen, 

»die die inneren Widersprüche der hegemonialen Kultur 

aufgreifen, deren Universalitätsanspruch herausfordern 

und damit letztlich eine 

subjektgeschichtliche Dynamik in Gang halten« 





Mängelwesen


Caring sprengt beim

pflegerischen Subjekt 

den liebgewonnene

Schein-Identität, 


zermalmt den Trug,

“Es” - also das,

was ihm ereignishaft

obligat passierte,

wäre bloß Exemplarisch.


Sein Selbstgefühl stimuliert,

einer unter vielen zu sein, 

der zur Daseinsbewältigung 

mit einer prothetische Versorgung 

ausreichend bedient wäre.





Empathie-Apparatur

 

Es würde genügen sich 

als pflegerischen Subjekt zu postulieren,

indem er sich als behandlungspflichtig

(devoir de situation) versteht und

sich als Mängelwesen (Gehlen) 

auf der Pflegemarkt präsentiert


Anzusiedeln als Teilhaber einer

"topisch gemeinsamen Raum"

(Charles Taylor, "Das säkularisiertes Zeitalter" 2009, S. 323)

die eine Besonderheit aufweist:


Sie ist ein diskursives Raumgebilde;

so existent wie der öffentlicher Raum.

Ihre einzelne Mitglieder sind miteinander

aufs engste Verbunden, "interessengeleitet,"

stehen miteinander in Austausch, z.B. durch

ein Akteuerskollektiv, oder via Whats-App etc,

beeinflussen sich gegenseitig und sind doch

gleichwohl, objektiv betrachtet, Teil einer

Masse, deren Stimme vielfach nur dann zählt,

wenn sie sich re:voluntär erhebt,

und ihr Anliegen Gehör verschafft (Advocacy).


Als Pflege-Publikum mit Gestaltungsmacht.

Die Gesundheitsindustrie ist Deutschlands

größte Arbeitgeber - ohne Direktor und

Aufsichtsrat bzw. stimmberechtigte

Mitgliedsvesammlungen ihre Aktionäre.

(Aktionäre i.S. der von Akteure, deren

Handlungen sich rubrizieren

als Uno-Actio-Leistungen.


Eine AG, bzw. Gesellschaft mit beschränkte Haftung

bei der jeder einzelne Beteiligte

an und für sich nie persönlich auf dem

Pflegeparkett bzw. Pflegemarkt

in Erscheinung treten; das pflegerische

Subjekt figuriert und existiert im

Wesentlichen als Sozialfigur der Postmoderne.


Ihre, auf Konsens getrimmte Diskursstruktur

als Grundkonstitution eines pragmatisch austariertes Handlungsrahmens die ein richtige [Pflege-] Praxis

anvisiert, wurde von Jürgen Habermas passend

ausgearbeitet und dargestellt in sein

Büchlein "Strukturwandel der Öffentlichkeit."


Das etablieren des pflegerischen Subjekts 

ist dann auch eine demokratisierende

soziale, realfaktische  Figuration ein

"Metatopische" Situation. Definiert als

den Interaktkionsraum eines 

gesellschaftlichen, an wirksame SV-Kriterien 

gebundenes Subsystems neben der Politik,

die sich selbst Geltung und Gehör verschafft.

Das plegerische Ereignisfeld beschreiben

als Metatopik [so wie "Kirche" + "Staat"

wie auch "TV" und "Internet"]

harmoniert bestens mit die Forderung 

des Robert Bosch NEU-START Vorschlag

vom 28. Mai 2021: 


Dezentralisierte PORT-Zentren entwickeln,

in Anlehnung an § 124 SGBV mit

Primärversorgung via "Community Health Nurses." 


Der Term: CHN entspricht das authentische
Modell Quartierpflegekraft als Pflegepräsenz: 


"Quartierpflegekräfte, die direkt 

in die Leistungserbringung einbezogen werden 

müssen, nicht nur in Form der Delegation. 

Außerdem sollen sie in Teilen der 

primärmedizinischen Versorgung 

selbstständig Heilkunde ausüben dürfen. 

Darüber hinaus braucht es verstärkte 

Anstrengungen zur Sicherung des multiprofessionellen Fachkräftenachwuchses, 

einen Ausbau der digitalen Vernetzung 

und eine konsequente Orientierung 

an den Bedarfen der Menschen vor Ort 

in der Versorgungsplanung. 

Kurz: Es braucht einen Neustart 

für die Primärversorgung.


Mit das pflegerische Subjekt als Sozialfigur

und i.V.m. § 124 SGB V als normativer Ansatz, 

erhebt das pflegerische Subjekt ein Anspruch
im Rahmen seiner Ohnmacht (als Bedarfspflichtiger) 

Verbesserungen "für sich" einzufordern.




Ohnmacht

Das pflegerische Subjekt konstituiert sich 

aufgrund seiner Bedarfe und seiner Passibilität  

auf ein “Sich-Selbst-Erleiden” (M. Henry),

das an sich - ohne pflegesensible Attribute

ebenfalls eine Ohnmacht unterliegt:

Denn “Im Leiden kündigt sich die Ohnmacht des
Gefühls als mit seinem Wesen identisch an.

Weil sie sich im Leiden ankündigt und uns hilft,

es zu denken, hat die Ohnmacht des Gefühls

nichts damit zu tun, was man üblicherweise als

>ein Gefühl von Ohnmacht< versteht. …


Die für sein Selbst-Sein konstitutive Ohnmacht des Ich,

sich von sich zu lösen, hat jedoch ihren Grund

in der ursprünglichen Ohnmacht des Leidens. …


In ihr, ihr ursprünglichen Passivität in Bezug

auf sich vereinnahmt das Gefühl seinen Inhalt,

empfindet ihn, empfindet sich selbst,

macht die Selbsterfahrung, freut sich an sich selbst,

die als solche für sein Sein konstitutiv ist,

in dieses, setzt sich in es in der Tatsächlichkeit.

In der Ohnmacht des Leidens tritt die Macht des Gefühls zutage.


Die Macht des Gefühls ist sein Herausspringen,

sein Durch-sich-selbst-begriffen-Sein,

der Verbund mit dem, was es ist, die absolute Einheit,

in der es mit sich zusammenhält,

und in diesem Zusammenhalt,

in diesem Verbund, in der absoluten Identität

des durch sich erfassten Seins mit sich,

in seinem Selbst-Sein und das, wodurch es konstituiert wird,

ist das Glühen seines Seins [Seinsinneseins - Jaspers],

des Sein, das sich selbst empfindet, und sich bei diesem Akt,

sich zu empfinden, erleuchtet,

auftaucht, die Offenbahrung.


Die Macht des Gefühls [Auto-Affektion] ist

das Gefühl selbst, das Gefühl als solches in seinem Wesen,

als Sich-selbst-Fühlen 

[Selbstangehend: auto-socialitation],

wie es sich in seiner tatsächlichen Möglichkeit vollzieht,

als Leiden. Die Macht des Gefühls setzt sich in seiner Ohnmacht

nicht wie eine Bestimmung einer anderen entgegen,

sondern ist mit ihr identisch und liegt in ihr."


Im Einklang mit diese Beschreibung ist festzuhalten, das


“Jede Wirkung (Aktion) [pflegerisches Handelns]

ein erdulden darstellt. Nicht durch etwas anderes,

durch das Ding etwa, [durch die Krankheit]

auf das sie sich ausübt, durch das Subjekt,

von dem sei ausgeübt wird [Angehörige, Arzt, Pflegekraft],

sondern durch sich selbst.

Oder vielmehr bedeutet dies,

das Subjekt der [pflegesensible] Handlung (Aktion) zu sein,

die Handlung selbst zu sein,

insofern sie sich selbst originär in ihrer

ontologischen Passivität in Bezug auf sich erduldet.


Ein [pflegerisches] Subjekt zu sein heißt <zu erdulden>,

heißt <zu sein>. Das Sein des [pflegerischen] Subjekts

ist die Subjektivität.
Die für das [nicht nur pflegesensible] Sein

konstitutive und mit ihm identische Subjektivität

ist das Mit-sich-Sein, das Gelangen des Seins in sich selbst,

weil es sich in der ursprünglichen Passivität des Seins vollzieht.

Das Wesen der [pflegerelevante] Subjektivität ist die Affektivität. ... 


Was still in sich gelangt und sich

in der Allmacht des Selbst-Seins versammelt

und sich in der Ohnmacht des sich

durch seine ursprüngliche Passivität in Bezug

auf sich ausgelieferten Seins angehört,

was in der Allmacht dieser Ohnmacht empfindet,

was es ist, und sich in der Milde

[De Clementia - Seneca - Johannes Calvin]

seines eigenen Kommens zu sich selbst fühlt,

was in sich im inneren Zittern seiner

eigener Offenbarung gegenüber sich selbst

zittert, ist das Leben.

Was das Leben in seiner letzten Möglichkeit

und in seinem Konkret-Sein ist,

wird deutlich. Alles Leben ist wesenhaft

affektiv, die Affektivität ist

das Wesen des Lebens.” 


(Michel Henry; “Das Wesen

des In-Erscheinung-Tretens” Freiburg, 2019,

§ 53, “Die Affektivität als originäre

ontologische Passivität” Seiten 556 ff.




Insofern weiß das "ohnmächtige" pflegerische Subjekt 

um sein legitimes, selbstverkörpertes  

Normsetzungsbefugnis und

Gestaltungsmacht als proaktiver Prosument.

Er muss nicht als passiver Konsument 

die ihm aufoktroyierte Pflege-Pillen

schlucken die ihm mundgerecht

präsentiert werden. 

Metaphysisch eingeflößt mit ein

pfäffisches "für die Gesundheit" als

sakramentales Ziel beim Pflege-Ritual.

Riten der pflegerelevante Lebenskrisen 

sind "Riten, in der sich das Ritualsubjekt

seiner fest verankerten plazentare Lage 

im Geborgenen [Schoß seiner Mutter] 

auf den Tod und den letzten, 

durch seinen Grabstein fixierten Punkt

zubewegt ... markiert und 

akzentuiert durch diverse

kritische Übergangsmomenten."


(Lloyd Warner, The Linving and the Dead 

A Study of the Symbolic Life of Americans, New Haven S. 303)


Dass das pflegerische Ereignisfeld
ebenso von Luthers Wort geprägt ist:
"Die Seligkeit ist Bedingung jeder guter Handlung
und erforderlich für jede gute Handlung"

gilt für den, der um seine Ohnmacht,
in Gnadensachen weiß ebenso, wie für den, die 
bei  Pflege
sachen 100 % Bescheid weiß, 
dass die Ohnmacht des Menschen vor Gott
in gewissem Grade bloß 
derselbe ist, wie die Ohnmacht der Handlung
in Bezug auf die Affektivität. (M. Henry, ebenda, S. 766) 
wie es als diesseitiges Aktionsfeld

bestimmt wird von angepasster und kongruenter Biopolitik. 


Für das pflegerische Subjekt bietet ein
ins unbestimmte 
Jenseits 

des "an sich" verlegte Möglichkeit einer

extern geregelte Gouvermentalität (Foucault)

keine wirklich realen Chancen, seinen

eigenen Weg zu bahnen. 


Selbstbestimmt, mit "Die Mut zur Wahrheit"
seine eigene Pflegebedarf direkt 

und unverblümt in Pflegedingen
zur Sprache zu bringen (parrhesia)

ist das Vor-Recht des pflegerischen Subjekts

das er auch ausübt ("Subjektives
Normsetzungsbefugnis").


Eine klare Sache. Im Gegensatz zur 

vertragsgemäßer  Unterwerfung 

unter den Herrschaft von Direktionsrecht 

und Gewalt bei weisungsgemäß angeordnete

Daseinsversorgung.


Leistungsträger liefern immer nur 
Surrogate als Resultate. 

Weil die in Anspruch genommene 

Service-Produkte nur das Ergebnis 

rationale, standardisierte

gesellschaftlichen Organisation darstellen.


Pflege-Leistungen für Kunden als Subjekt.

Klienten und Kunden werden (nomen est omen)

stets nur definiert aus Sicht des Geschäfts,

die bedient und Service serviert.


Dienstleistung las Versorgungsauftrag

Immer erstrangig im Rahmen eines demokratischen 

Rechtsstaats mit SGB-normierter 

Versorgungsanspruch wahrgenommen.


Service die funktionsfähige 

Gebrechlichkeitskompensationskompetenz  

in Aussicht stellt - aber in den meisten Fällen

nur fabrizierte Lohnpflegegleichgültigkeit

ihre Akteure präsentiert - und vor allem:
das pflegerische Subjekt als 

Einkäufer der Ware "Gesundheit" 

ins Hintertreffen abdrängt. 


Das ist auch nur denklogisch: wer die
Kasse hat, der bestimmt: verfügt

das pflegerische Subjekt über kein 

eigenständiges persönliches Budget

ist er 100 % abhängig von dem ihm 

zugeteteilte Pflege-Sachleistungen;

angebotene Angebote kann der 
Kunde ablehnen aber ohne Geld

in seine Börse hat er gar keine

Wahl Bedarf bei andere Anbieter
oder andere Angebote einzukaufen. 

Sein Schicksal: aus Subjekt wird Objekt 


Er verliert sein Status als Mitspieler [Player]

an dem Pflege Schachfeld; er figuriert als
Spielfigur auf dem Spielfeld der Pflegeindustrie,

dem man u.U. übel mitspielt, wenn er

als Bauernopfer [Payer] statt Kunde =König 

behandelt und wahrgenommen wird

  




Patentmöbel und Mikroraum


"In Hütten wohnet der Mensch, und hüllet/ sich ein ins verschämte Gewand." (Friedrich Hölderlin: "Im Walde"; wohnte bis zu seinem Tod von 1807 - 1843 in Tübingen in ein Turmzimmer zur Pflege als „unheilbar“ und mit der Aussicht 

auf nur wenige weitere Lebensjahre  aus der Klink entlassen.
Versorgt in den Haushalt Ernst Zimmers, eines Tübinger Tischlers.
Hier bewohnte er als Mitglied des Haushalts und
mit familiär-fürsorglicher Unterstützung,
eine Turmstube oberhalb des Neckars (Hölderlinturm). 

Das pflegerische Subjekt aus seiner Rückenlage emporrackern zu lassen

ist nach Villem Flusser jene Aufgabe,

die der [Pfege-] Kultur benötigt indem

persönliche Pflegepräsenz beim

Mobilisieren eine Krücke unterschiebt

(oder selbst "am Krückstock" geht)

und ihre Dienstleistung am Krankenbett (seit dem 18. Jahrhundert zunehmend

als gestylte "Bettmaschinen" definiert);

als Service am "Empathie-Apparatur" ins Werk setzt.




Bindung


Die Schablone des gewöhnlichen

pflegerische Subjekt zeichnet

ihm als einer, der,

wenn es kritisch wird, 

nur Lessings Schuhe

anzuziehen braucht, 

um sich aufzumachen, 

auf der Suche nach (s-) eine 

Erziehung des Menschengeschlechts 

(Homo education) - oder

mikrologisch gedacht und gesagt:

auf der Suche nach passender Situations-Pädagogik.


Am liebsten so wie seinerzeit.

Geschickt im Kindergarten und

dann in Schulen geschult.

So hat er sein Leben gemeistert.

Jetzt macht er nur eine

Institutionswechsel geltend,

um anhand prothetische Versorgung 

sich Abhilfe verschaffen zu lassen. 


Oder sich bedienen zu lassen.




Bettmaschine 


Im Mikro-Raum seines Bettes

bzw. Bettmaschine (1789)


"Das [Kranken-] Bett entwickelt

sich zu ein <intensiver Mikroraum>, 

der für die Herantretenden,

ob Angehörige, Arzt oder Pflegekraft,

das „Schauspiel der Subjektivierung"

des Pflegebedürftigen erlebbar macht." 


(Harrasser, Karin: „Schlafen und Sprechen am Krankenbett. 

Patientwerden als teilsouveräne Artikulation“, in:
Bruchhausen, Walter und Celine Kaiser (Hrsg.):
Szenen des Erstkontakts zwischen Arzt und Patient,
Medizin und Kulturwissenschaft 7,
Göttingen: V&R unipress 2012, S. 233–240, hier S. 234.


Dabei wird das pflegerische Subjekt

zu Grotesken fähig: 


externe Pflege (Pflegix)

soll das tun und leisten,  

was selber weit besser machbar. 


Das negative prothetische

Versorgung bis ins Absurde abgleiten

kann, sei nur als Fußnote erwähnt;


überbetütteltes Umsorgen

führt fast zwangsläufig zur

selbstverursachter Immobiliät

durch Inanspruchnahme

überflüssige, externe

"Entlastung,"Service,

Unterstützung und

Hypurgie bzw.

Hypurgo-Dynamik.


Unter Hypurgie wird 

die Summe alle gestaltende und

wirksame Faktoren verstanden, die

zur Heilung erforderlich sind.

 

Mithin Faktoren der Umsorge

in weitestem Sinne. 


Faktoren, die Behandlungsstrukturen

einer heilungsfördernden 

Umgebung kreieren.


Faktoren die energisch 

selbstständiger Auftritt betonen, 

und Pflegepräsenz "readymade" 

als primäre, formende Kraft im 

Gesamtkonzeptes gewertet 

wird zu Gunsten des selbstbestimmte
pflegerisches Subjekt.




Bicepteur


Als Symbolanalytiker ist hier 

von der Bicepteur zu reden. 


Mit einem Begriff des französischen

Psychoanalytiker Jacques Lacan – 

die den Raum zwischen zwei Menschen, 

den Raum des Begehrens umfassen. 


In diese Lücke, die weder 

dem Einen noch dem Anderen (zu)gehört, 

bildet sich den ausgeschlossenen 

Schnittpunkt zwischen den Beiden. 


Dort ist im pflegerischen Skript 

Mikrologik angesiedelt. 


In dieser Entzweiung

derselben Sache 

ist lediglich

die Perspektive

ausschlaggebend. 




Pflege Palimpsest


Zwischen dem Wechsel 

von Perspektiven liegt 

eine kleine Lücke, 

eine, wenn man so will, 

juristische Sekunde mit {0}, 

die den Übergang von 

Denkverhältnissen regelt und 

Pflegeszenarien navigiert. 


Und diese einfache, 

doch sehr bedeutsame Lücke 

zwischen zwei Perspektiven 

ist das Eigentliche, das

Reale at bedside. 


Das Reale im Anderen 

liegt hinter dem eigentlichen 

Vordergründigen und um 

es zu erreichen, muss Caring 

sich wappnen und 

das Zerstörerische greifen. 





Pflegewirklichkeit


Die intersubjekive Leerraum zwischen

zwei auf einander bezogene Individuen

(Mutter/Kind, Liebespaar ...) lässt

sich wahrnehmen und ist aufweisbar

in Gestalt einer Brisur, eines Schaniers.


Diese Zwischenraum einfühlsam,

und empathisch auszufüllen ist ein

großartiges Pflege-Geschäft - allerdings 

kein massentaugliches Unterfangen;

Unspektakuläre Caring steht außer

Konkurenz zu fesselnde Ereignisfeldre

wie 'Wacken' und Bundesliga.


Das pflegerische Grammatologie

einfach sein soll und spannend dazu, ist

dann auch kein Verifikationsmerkmal:

„Die Brisur markiert, 

dass es für ein Zeichen, 

für die Einheit eins Signifikaten 

und eines Signifikats 

unmöglich ist, in der Fülle 

einer Gegenwart und einer 

absoluten Präsenz 

zu entstehen.“

(Derrida)



Mikropolitischer Pflegepräsenz trötet 

nicht im Horn der Makropolitik 

sondern betreibt Biopolitik 

nach die Maxime:


Tu was Du kannst; 

da wo Du bist;

mit dem, 

was Du hast. 




Transfiguration


Pflegepräsenz ist 

micrologische Pflegekunst; 

archaische Gabe [Mauss]einer Serviceleistung.

- Gabe und Aufgabe in einem. Vertrauenvolles verbindliches

austausch von Einsatz und Leistung

im Handlungsfeld der Health-Literacy.

Pflegepräsenz gibt mithin bei gegebener Gesundheitskompetenz

ein zinsloser Sozialkredit 

und nimmt dabei selbst ein 

schwer belastete Hypothek auf,

indem es Adorno Satz

für eigene Zwecken borgt:


"Die Wirklichkeit der 

{Pflege-} Kunstwerke 

zeugt für die Möglichkeit 

des Möglichen."


“Du hast keine Chance
also nutze sie:” 


Spontispruch und mikrologischer

Slogan bei determinierende

Attraktoren wie bspw. Demenz.


Ein romantischer Dichter

[Henry Constable - 1562 - 1613]

erhält das Schlusswort:


"In meinem ganzen Leben

habe ich nichts Häßliches

gesehen, also nichts,

was {Pflege-} Kunst

nicht hätte transfigurieren können"


(C. Taylor, "Quellen des Selbst" 2018, Ffm, S. 749)






 



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