Negative Anthropologie
Caring ist beladen.
Belastet mit einer Spielart aus
"Playstation" und "Pflegestation."
Spaßfaktor und Leidensdruck.
Getitelt: Negative Anthropologie.
Negativ nicht als Desaster.
Ein Desaster - wozu jede
Pflegeereignis werden kann - trägt
mitunter auch heilsame Früchte,
wenngleich der toxische Wurzelstock
schlicht ungenießbar ist -
wie Maurice Blanchot es beschrieb:
Das Desaster ruiniert „alles“ und läßt doch „alle“ bestehen.
Es trifft nicht den einen oder den anderen,
„ich“ werde nicht von ihm bedroht.
In dem Maße, wie mich (weil verschont, beiseite gelassen)
das Desaster bedroht, bedroht es in mir das,
was außer mir ist, einen Anderen als mich,
der ich, passiv, ein Anderer werde.
Man wird vom Desaster nicht getroffen.
Außer Reichweite ist der, den es bedroht,
man kann nicht einmal sagen,
ob von nah oder fern –
das Unendliche der Bedrohung hat in gewisser Weise
jede Begrenzung durchbrochen.
Wir stehen am Rand des Desasters,
ohne daß wir es in der Zukunft verorten könnten,
es ist vielmehr immer schon vergangen,
und trotzdem stehen wir am Rand
oder unter der Androhung – alles Formulierungen,
die die Zukunft einbezögen,
wäre das Desaster nicht das, was nie kommt,
was jede Ankunft verweigert hat.
Das Desaster denken (wenn das möglich ist,
und es ist in dem Maß nicht möglich,
wie wir ahnen, daß das Desaster „das Denken“ ist),
heißt, keine Zukunft mehr zu haben,
um es überhaupt zu denken.
Nein, was wir als "Negativ" konnotieren,
benutzen wir als Aiusdruck
in Anlehnung an Nicolaus Cues
Begrifflichkeit einer
negative Theologie.
Oder - wer's gerne modern mag:
an den negativen Befund
einer Corona-Test: dort ist
das neg. Ergebnis ein
positives Signal: der getestete
Person ist nicht infiziert!
Negativität ist Schicksal und
notwendigerweise einzig praxeologisch
legitim zulässiger Perspektive.
Dann und darum, wenn es negativ gelingt,
dass das pflegepflichtige Ereigniss
erträglicher wird, temporär
verschwindet oder für immer durch
permanenter Abwesenheit glänzt. Kurz:
Das Gute als Abwesenheit des Bösen.
Nur diese Blickwinkel ermöglicht
effektive Pflegepräsenz, sich effizient,
wirkmächtig und transitiv als Lückenfüller
und Leerstellenlöscher
zu Präsentieren.
Mit Micro-Pflege als
Quartierpflegekraft am Markt.
Mit ein Auftritt bei der das pflegerischen
Subjekt der absolute Gewinner ist,
wenn er das Label “Prosumer” zu
akzeptieren und zu realisieren vermag.
Lückenfüller
Caring findet stets intrasituativ
statt. Spontan. Mit eigener Signalsprache.
Intrasituativ und Intesubjektiv
Ihr Platz ist die einer unbestimmte Lücke.
Von den Dichter Friedrich Schiller
als eine “Bestimmung aus Überschuss,
als eine erfüllte Unendlichkeit definiert.
Weil diese Lücke nicht einseitig in
Entweder/Oder Konstellation
vorbestimmt ist, erscheint sie
schrankenlos.
Das pflegerische Ereignisfeld lässt sich
nur selten im Modus Entweder so
oder so und nicht anders beschreiben oder
“exklusiv” und ausschließend bestimmen.
Und das heißt: Sie kann alle mögliche
Bestimmungen at bedside umfassen,
ohne dass eine einzelne davon
exklusiv und definitiv "auf ewig" ausgewählt
und favorisiert wird.
Sie ist schrankenlos, weil “unendlich”
bestimmt - also sein “Zustand höchster Realität.”
In der infinitiven, das Raum-Zeitliche
übergreifender pflegerischer Erscheinungswelt
operiert dieser Zustand als Unterbrechung,
als Lücke oder NULL, wie Schiller sagt,
weil er jede bestimmte Wirkung aussetzt
und jede Begrenzung annuliert.
Der pflegerisch kalibrierte NULL-Linie
hat den Tendenz, den Wechsel der Zeiten,
hinsichtlich dessen, was DRAN ist,
anzuhalten und sich “in eine größere Fläche”
auszubreiten, als anachronische Dauer,
gebannt und eingespannt in ein dynamische,
konvivial austarierter OODA-Looping.
Pflege-Räume
Pflegehandlungen mit ihre Typik einer
anachronische Dauer existiert durch
Wahrnehmung einer reine Gegenwart
bei und während ihre uno-actio-Handlungen.
Oder, wenn man lieber will,
Pflegehandlungen vollziehen sich in einer
Simultaneität bei der die äußeren Dinge
gewiß der Veränderung unterworfen sind,
aber nur für ein observierendes Bewußtsein,
das sich ihrer erinnert.
Pflegebeobachtung vermag die intrasituative
Dauer des pflegerischen Momentes,
bei der ihre inhärente Momente einander
sukzedieren als Inskriptionen zu erfassen.
Indem persönliche Pflegepräsenz außerhalb
seiner bewusster Selbstwahrnehmung
in einem gegebenen Augenblicke (OPP) ein
Ganzes simultaner Stellungen beobachtet.
Im Normalfall sind von den vorangegangenen
Simultaneitäten beim pflegerischen Subjekt
keine Rillen, Furchen oder Spuren vorhanden.
Die “Dauer” in diesen punktuellen “Raum”
einer obligaten passageren Durchgangspunkt
verlegen heißt, durch einen echten Widerspruch,
oder, genauer gesagt ein “Unvernehmen”
(Jacques Rancières) ins Spiel bringen,
die die Sukzession des empirischen Pflegephänomen
mitten in die Simultaneität hinein verpflanzt.
Wahrnehmung
Wenn es um “lückenhafte” Wahrnehmung geht
(und um erfassen dessen was fehlt geht es ja),
sollte der Pflegekraft nicht sagen,
dass die äußeren Dinge dauern.
Auf das Pflegephänomen kommt es an.
Deshalb sollte sich der Pflegekraft
sich damit nicht aufhalten,
Tatsachen zu strecken und als
Pflegeprozess zu konstituieren:
"das alles ist äußerlich.
Die Dinge dauern."
“Löchrige” Pflege-Ereignisse mit Armbanduhr
und Zollstock messen, oder, aufgemotzt
mit Monitoring, Smartwatch und
sonstige digitale AAL-Techniken
kommt zu kurz.
Vielmehr gilt das Parameter einer
nicht auszudrückender Grund, die in der
pflegerische Situation irgendwie vorhanden ist,
aus dem wir sie jedoch nicht in sukzessiven
Momenten eine Dauer oder Länge
zu betrachten vermögen, ohne an ihnen
eine Veränderung zu konstatieren.
Dieses unvernehmlich festgestellte Dauer
in Veränderungszustände (z.B. Fieber-Schub)
schließt im übrigen keine Sukzession ein,
wenn man nicht das Wort in einem neuen
Sinne nimmt.
Trennscharf sollte hinsichtlich der Dauer
beachtet und unterschieden werden,
dass abgelaufene pflegerische Ereignisse
(jenseits des OPP) bestimmbar,
jedoch ablaufende Vorkommnisse
nur behutsam und auxiliär (als Hilfskonstrukt)
anhand implizites, stilles bzw. Vermutungswissen
ausdifferenziert werden kann.
Allerdings ist zu betonen, im Unterschied
zur bloßen und leeren Unbestimmtheit,
dass Caring nicht zwingend zögerlich
und zaudernd als Aktionsallergie abläuft.
Uno-Actu-Handlungen vollziehen sich im
entscheidenden Moment als kommunikatives
Handeln mit eine aktive Bestimmbarkeit
und mit eine fortlaufende, iterative Setzung,
anhand observierte und organisierte
Gegebenheiten und Bestimmungen,
ein Gedränge (Archebasin) von Möglichkeiten
Zurhand gibt. Hier wird bewußt angeknüpft
an Cicero's de officiis - was weder eine Abhandlung
über das Gute oder die Pflicht in Absolutum,
noch über rechtliche Ge- oder Verbote, sondern,
eine Schrift übr das devoir de situation, über das,
was in einer bestimmten Situation ein
angemessenes Verhalten darstellt, besonders
vor dem Hintergrund der sozialen Stellung
des Handelnden.
Dergestalt wird ein internes Schwanken
sowohl hergestellt (Was ist DRAN)
wie auch im nächsten Schritt vernichtet.
Das Pflegephänomen lässt sich noch weiter
differenzieren - was im Zuge einer Verortung
in der Pflegepraxis des pflegerischen Subjekts
wie folgt - nach M. Henry beschreiben lässt:
"Das Wesen der reine Pflegephänomenalität
ist etwas anderes als deren Tatsächlichkeit.
Insofern das Wesen der Phänomenalität
etwas anderes ist als deren Tatsächlichkeit,
findet es in dieser vielemehr seine eigene
Aufhebung - realisiert im instantane,
intersubjetive Uno-Actu-Handlungen, die
Pflegepräsenz im Modus des GUT AUGEHOBEN
als Entitäten realsieren. Die Zweckbestimmung
lässt das Wesen der Handlung in Erscheinung treten,
und ist im Kern seine Wahrheit.
Insofern es sich nicht mit dem tatsächlichen
pflegephänomenologischen Inhalt der
angepeilte Zweckbestimmung deckt,
ist ihm die wesentliche Wahrheit dieses implizite
mitdachten Inhalts fremd; auf dieses bezogen
ist es vielmehr die Unwahrheit. Diese Unwahrheit
des Wesens verbirgt sich schließlich in der Wahrheit
der tatsächlichen Phänomenalität. Diese gibt sich als
die Wahrheit des Wesens aus - ohne es zu sein.
Die Wahrheit des Wesens pflegesensibler Präsenz
ist aber die Unwahrheit seiner Unwahrheit; ihre
wesentliche Bestimmung ist das Rätsel.
Dieses Pflegephänomen mit ihre ganze Rätselhaftigkeit
sinnlich auftretende Erscheinungsbilder in der Pflegewelt
fasste Sören Kierkegaard fein zusammen unter
Verweis auf antike, griechische, skulpturale Plastiken.
Der Skulptur ist "Schein" des vom Künstler ideell gedachte
und zeitgleich in Marmor für die Ewigkeit herausgemeißelte "Erscheinung" - bei der in ihr das, was im Stein da steht
und faktisch erscheint auf das verweist, was nicht erscheint.
Ihre Bedeutung entfalten Skulpturen im Rätselhaften,
was bei der Lakoongruppe gilt - und, nicht zuletzt
auch in der Renaissance beim Michelangelos Mose,
mit ausführliche, an Goethe entlehnter Hermeneutik
des Rätselhaften, verewigt im unfassbar faszinierenden,
phänomenalen Marmorgewerk.
Nexus und Plexus
Einzelne Pflegemaßnahmen unterliegen
ein Scrum-Prozess in der jede
Bestimmung durch eine weitere
aufgehalten und blockiert wird,
was eine dynamische
Gegenläufigkeit der Kräfte ergibt.
Nexus leitet sich ab vom lateinische nectere.
Das bedeutet: binden - "Band" - verbändeln.
(Sieh u.A. Mauss, "Die Gabe" S. 123).
Sooft die Nerven des Sonnengeflecht
im pflegerischen Ereignisfeld getriggert wird
werden mit iterative Schritte
neue zielführende Verbindungen aufgebaut
analog wie alte, zwecklos gewordene
Handlungsbahnen aufgegeben und
sinnlose Pflegekonstrukte zerstört werden;
diese Inovationsschübe sind konvulsiv
strukturiert und so selten wie eigentlich
nie an Kausalketten auf ein
pflegerische Webstuhl aufgespannt
um am Schnürchen aufgereiht
zwangsläufig im Pflegeprozess abzulaufen.
Der Lenkungsrolle passt bei ein
Transmisionsriemen als Antrieb,
das Ventil bei fließend gesteuerte
Arbeitsprozesse - aber eben nicht bei
effektiv und effizienter Auftritt
selbständiger Pflegepräsenz.
Das pflegerische Nexus und Plexus
im weitesten Sinne ein symbolanalytisch
verwertbarer Reverenz bietet
zu ein variabel ausgestaltbare "Kuhhandel,"
sooft die Quellenlage Römischen Rechts
bemüht werden, stellte Marcel Mauss fein heraus
(Ebenda, Ffm. 1990 S. 122 [Fn.]).
Scrum-Prozesse fließen Sprunghaft,
ungestüm aufbrausend
und beeindruckend wuchtig.
Ein Springbrunnen an Optionen,
mit Kaskaden vielschichtige Möglichkeiten,
deren innere Fontäne mit milliarden
dicht gedränger Tropfen hinauf strömen
als faszinierende
wirkmächtige Säule
dem Himmel entgegen.
Herr der Pflege
Die aufbrausende Fließrichtung
in vorwärts strebenden Pflegeprozessen
treibt prinzipiell in Richtung Paradies.
Pflege-Helden streben aufwärts.
Die Fontänen ihre Kräfte im
fließenden Pflegeprozess verlieren
sich nur selten im Orkus höllentiefe
Schlunden in der Nähe unstillbaren Orks
oder verlieren sich im Fluss der
infinitive Nichtigkeiten um dort als
plumpsender Stein plumb zu versenken.
Der Psychoanalytiker Jacques Lacan
verpackte, fast philosophisch,
seine Aussagen zum
[pflegerischen] Subjekt sehr feinsinnig
zusammen in sein Formel:
“Das [pflegerische] Subjekt ist
<transzendental> weil es mit der
[nur negative, anthropologische]
Indentifikationslinie, die ihm diese
Gewissheit darbietet nicht
übereinstimmen kann.
Es ist vielmehr deren leerer Rest.”
Unspektakulär sei angemerkt:
das pflegerische Ereignis ist oft
das erste reale Erleben,
dass in der moderne Konsumwelt
den Zuschauer fatal aus der Tiefschlaf
seiner ereignisloser,
eingefrorener Zeit weckt -
und das nicht immer sanft und selig.
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