Neue Idiome
Caring endet in ein Vielzahl
mit ein “Ruhet Sanft” als Schlusspunkt.
“Ruhet in Frieden” [RIP] steht emblematisch
auf so mancher Gedenkstein. Nicht immer
ganz zutreffend.
“Ich war euch nichts”
für einen “Mann ohne Eigenschaften”
wird als Inskription außer bei Dichter
wie Musil und andere Prosaisten,
kaum wirklich überzeugen.
Soziale Magie
Die Drehbücher und Skripte pflegerische
Handlungsrepertoires schreiben
die Akteure selbst, wobei sie sich
um kommunikative Anschlussfähigkeit
bemühen müssen, um an die kollektiven
Erfahrungen, Mythen, Symboliken und
Rituale des bereits Bekannten
anknüpfen zu können.
Ob die Inszenierungen der Skripte
im pflegerischen Ereignisfeld als
›geglückte Inszenierung‹ anerkannt
werden und eine soziale Magie
der sozialpolitischen Repräsentation
ihre Wirksamkeit entfaltet,
hängt nicht nur von der Performance
der Akteure ab, sondern liegt auch
im Ermessen des Publikums,
oder besser: des Sozialfigur eines
pflegerischen Subjekts als Publika.
Sie haben letztendlich
doch so etwas wie eine ›Wahl‹:
zu einem gewissen Grad,
nicht zuletzt als Inhaber eines
bewilligten Pflegebudget.
Denn mit Geld in der Hand
können sie effektiv und
effizient selbst entscheiden,
wem sie Vertrauen
und Glauben schenken.
Nach Jentges, Die soziale Magie politischer Repräsentation 2010, S. 196
Widerstreit
Grabsteine am Ende einer Lebensweg.
Manche Inschriften klingen
wie eine pflegerische Perversität.
Wird “Ruhet Sanft” gelesen
kommt prima facies
Wunschdenken ins Spiel.
“Ruhe” hallt immer als Echo nach, in
einer hochgestylte Erinnerungskultur
wenn eigentlich ein“Lass mich in Ruhe”
als Aussage über die Lippen kam.
Verblichene gewidmet. Jämmerliche Jammer.
Bei Unterlegenen als Memento Mori obendrauf
gelegt, auf ihr kaltes Grabgelege.
RIP - in Stein gehämmerte Resultaten,
die als wünschenswert erachtete Zuschreibung
das pflegerische Subjekt nach Ausgang
einer seltsame Widerstreit als Zuruf
noch auf sein Totenbett mitgegeben werden.
Als Spiegelbild einer unsanft und unruhige
erlebte negative Anthropologie in einer -
unstrittig - unruhige [Pflege-] Weltgefüge.
Gedenksteine und Denkmale erheben stumme
Ansprüche und sind förmlich An-Klagen an ein
SGB abgesicherte Lebenswelt die als
Abschlussphrase das pflegerische Subjekt
als Opfer & Kläger in Personalunion Worte
einer säkularisierter Miserere mei deus
in den Mund zu legen pflegt.
Immersion
Caring lebt von Immersion (Eintauchen).
Einzutauchen in die gelebte und erlebte
[Pflege-] Welt des pflegerischen Subjekt
gehört zum Handwerk selbständiger
Pflegepräsenz. Ohne dem gehts nicht.
Ohne dieses Abtauchen
kann das pflegerische Subjekt
als Sozialfigur nirgendwo auftauchen.
Dann wird sie nicht wahrgenommen.
Dann wird Pflege nur noch abgeglichen.
Pfleger sind keine Kopisten, die ihren Job
an standardisierte Pflegepersonen anpassen
und nur mit Denkschablonen arbeiten.
Das pflegerische Subjekt taugt nicht als
Strohpuppe und Karteileiche in ein
vom administrativen Apparatschik
gehütete und gehortete Betrieb.
Es sei denn, der Mensch
wird verwaltet statt gepflegt.
Das finstere Grabgelege mit
dem lakonischen RIP Inskription
ist und bleibt ein Kuriosum.
Suggestions Potential
Caring veranlasst professionelle pflegerische
Auftritt als Pflegefachkraft, noch im Nachhinein
ein seltsames virtuelles Eintauchen in einen
Schattenwelt in Augenschein zu nehmen.
Wer ohne Quäntchen Dante oder Vergil,
ohne Bibliomanthie oder magische Poesie
respektive hilfreiche Performativen,
die methodische Wirklichkeit schaffen,
die Pflegesitutationen performativ modellieren und sich somit nackt, nüchtern und nonchalant
auf den Weg macht, pilgert und wandert
auf rasierklingenschmale Pfaden.
Das beschriebene RIP-Kuriosum
steht als Symbol eine Phraseologie.
Pflegerische Phraseologie wird
mit Diesem eine Kehre beschieden.
Eine SGB gesteuerte oberflächliche,
putzige Pflege mag als angepasste
Situationspolitur durchgehen.
Wir fordern und verwenden stattdessen
eine persönliche Zuwendung gegenüber
das pflegerische Subjekt, die mit
dem Ausdruck Immersion
gut umrissen und beschrieben wird
Palliative Care - Teil einer Q-Care -
ist ohne Eintauchen, ohne inneres
“mitgehen” nicht gut möglich.
Empathisches Einfühlungsvermögen
steht nicht nur dort an erster Stelle
bei der hier vorgestellte
transversale Pflegemodell mit
transanalytische Performance in
intrasituative, pflege- und
betreuungspfichtigtige Ereignisfelder.
Kongruenter Immersion betont
neben Zuwendung auch den
aktiven Part des Immersierten, der,
wenn es gut läuft, zumindest ein
leichtes Kribbeln zwischen den
Schulterblätter oder ein angenehme
kitzelnder Gänsehaut spüren sollte.
Das pflegerische Subjekt ist mehr
als der potentielle Rezipient
der sich mit den sinnlichen Dispositionen
des Sehens und Hörens seiner
missliche Lage konfrontiert sieht.
Immersion äußert sich geradezu
in einer bidirektionalen Dynamik
mit sehr viel »Suggestionspotential«.
Signifikationen
In der der Fokus geraten nicht so sehr
konzentrierte pflegetechnische
Steigerungslogiken bei den Grad
feststellbarer Pflegeanspruch und der
Umfang an registrierbare Bedarfe.
Vielmehr stehen reziproken Verhältnisse
zwischen pflegerisches Subjekt
und Objektive Leerstellen in
sein Lebensweltgefüge zentral.
Der Rezipient [Empfänger] hat seinen
Anspruch auf Pflege-Bedarf erst zu beweisen
um Beistand zu erhalten? Kein Problem
mit ein amputiertes Bein in der Hand.
Nur dann kommt man nicht weit.
Unproblematischer hätte der Antragsteller
bei den sogenannten Kostenträger wenn
er vorstellig wird mit seinem Kopf
unter den Arm. Aber dann i
st es zumeist zu spät.
Vor ein Arbeitsgericht hat der Arbeiter
nichts in der Hand - allenfalls sein Vertrag.
Er stellt der Typik und das Dilemma
des Opfer & Kläger in Personalunion perfekt da.
Nur, bei der Arbeiter ist sein Status
vor das Arbeitsgericht weitestgehend
normativ austariert; zu ihm passt der
Redefigur “Macht der Ohnmächtigen.”
Beim pflegerischen Subjekt ist seine
biopolitischer Macht zumeist pervertiert:
er steht bzw. liegt at bedside
meistens einsam, hilflos und
verlassen da - verlustig alles Dessen,
was Wert und Würde ausmacht.
Realitätsretter
Dieser Widerstreit ist eine
instabile Zustand,
die mit “ Schweigen
als negativen Satz
appelliert an Außenstehenden.
Schweigen als Idiom, denn:
”Man findet keine Worte”.
Dem Widerstreit gerecht zu werden
bedeutet:
neue Empfänger,
neue Sender,
neue Bedeutungen (Signifikationen),
neue Idiome (Sprechweisen),
neue Referenten einsetzen,
damit das Unrecht
Ausdruck finden kann
und der Kläger
kein Opfer mehr ist.
Eine neue anthropologischer
Kompetenz (oder “Klugheit”)
muss gefunden werden.
Die damit anklingende
Tonlage einer Advocacy
ist hier der Basssaite,
die gezupft wird, wenn der
Generalbass-Melodie hörbar wird
weil kongruenter
Pflegepräsenz ihre Harfe
auspackt um Q-Care einen
fesselnden Sound zu entlocken:
progressive Zukunftsmusik.
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