Pflegehelden
Pflege-Dramen. Pflege-Helden.
Systemrelevante Superstars
in der Corona-Krise 2020 / 2021.
Originell gesagt und schön reißerisch.
Allerdings erzeugt ein pflegerisches
Movens und Élan bei obligate,
Not-abwendende, intrasituationell
erforderlichen interpretierenden Eingriffe
im Pflegeverlauf beim pflegerischen
Subjekt keine wesentliche Originalität
die den Held als Heiland erkennen lassen.
Handlungspflichtende Maßnahmen
bzw. diszipliniert durchstrukturiere
Scripts in Caringprozesse schaffen
keine Lara Crofts.
Superhelden wie Captain America & Co
wird man allenthalben vermissen:
Es gibt keinen Held des Ereignisses;
Pflegehelden sind mythische Gestalten
Pflegehelden sind Produkte der
schmuddeligen, aber heiß geliebten
Yellow Press oder einfach nur
Etikettenträger einer Franchise-Agentur
in Moneymaker-Stil.
Pflege haftet 2021 noch archaische
Strukturen an.
Geben und Nehmen im Micro-Raum
des Bettes ist noch so ritualisiert,
wie von M. Mauss 1950 beschrieben.
Disziplinierte und dirigierte
Pflegerituale finden noch 2021 statt
wie vor tausende Jahren,
abgefasst im indische Hindu-Recht:
"Es werden alle mögliche Vorsichtsmaßregeln
getroffen. Die Autoren der Kodizes ...
verbreiten sich über das Thema [Care],
wobei die Termini Gaben und Geber,
gegebene Sache [Pflege als 'Sachleistung']
stets aufs genaueste und gewissenhafteste
in ihren Kontext [Handbuch]
betrachtet werden müssen [TQM],
damit bei der Art des Gebens und Nehmens
kein Fehler auftreten kann.
Alles beruht auf Etikette;
es ist nicht
wie auf einem [offenen Pflege-] Markt,*
wo man objektiv,
zu einem bestimmten Preis
eine Sache nimmt.
Nichts ist hier dem Zufall überlassen. ...
Hier ist nur ein [einziges] Rad,
das sich in eine
einzige Richtung dreht."
(Marcel Mauss, "Die Gabe" Ffm. 1990, S. 147)
Tina Turner hat recht mit ihr Popsong
We Don’t Need Another Hero:
“Gib es alles oder nichts.
Wir brauchen nicht einen
anderen Helden.
Wir müssen den Weg
nach Hause nicht kennen.
Alles was wir wollen
ist leben jenseits
der Donnerkuppel.”
Nur heldhafte, Not-Wendige
Caringkultur vermag Wendungen
herbei zu führen.
* Fußnote:
Mauss hob sowohl betreffend des Hindu-Recht
wie auch des germanische Recht hervor,
dass die germanische Kultur
lange überhaupt keine Märkte kannte.
Das war in der Antike bei gegenseitiges Schenken
{Gabe, Don [Franz.], Gift [Engl.] } -
mit ihre gegenseitiger Bindung und Haftung [Nexum]
auch nicht erforderlich;
das SV-Träger-System hat bis 2021
hier das do ut des bis in der Gegenwart
so sehr verinnerlicht,
dass eine echte Pflegemarkt de facto
nur aufs Papier steht.
Der Beitragzahler gibt seine Gabe
einzig mit der Bedingung [Nexum - Angebinde**]
damit im Falle eines Falles
ihm vergolten wird - vorbehaltslos -
so wie er gab - 'ohne wenn und aber'
verquickt mit ein preisbindungsfreies
'koste was es wolle.' (Mauss ebenda, S. 149)
Systematische Pflegekommerz kennt bis Heute
kein echter Pflegemarkt; es ist ein Polatschsystem.
Beweis: der Patient hat kein eigenes Budgetbefugnis;
das pflegerische Subjekt wird nach verfügbare,
mit SV- und politische Entscheidungsträger ausgehandelte
Budgets in Institutionen wie Heim und Klinik etc.
behandelt. Objektiv gesehen
ist der Care-Sektor "veranstaltet" und konfiguriert;
das pflegerische Subjekt als Individium
und Handlungsträger mit health-literacy steht da
weder aufs Programm, noch steht er im Focus:
er steht eine effiziente Adeministration nur im Weg.
Der Beitragszahler [anderes Bild] darf seine
Gabe als Wetteinsatz sehen:
als eine Wette gegen sich selbst.
Beiträge, die, genauer genommen
als Unterpfand gelten.
Als "Negation des Negativen" gedacht,
als Nichtigen des Nichtigen konzipiert um,
im Fall der Fälle, dass er im Pech landet [im Pflegefall, Krankheitsfall, Unfall]
das unerwünschte "Glückslos" zieht,
dass ihm kostenlos geholfen wird.
"Nicht nur der Beitragszahler gibt verbindlich,
Der Kostenträger als Empfänger bindet
sich ebenfalls; auch auf der Gefahr hin,
dass der Kasse im Extremfall
leer geplündert werden könnte gilt:
der Beitrag ist ein Pfand, das eine
gefährliche Herausforderung werden kann i.S. "to throw the gage" und
(Handschuh werfen - Mauss ebenda S. 153)
Dem entspricht der Ostfriesenkalauer "Bist Du moal in Emden West west,
wo die Hemmn hemmn und
woar dat Gift gift" - Gift, Gabe und Geben sind im Plattdeutschen nahezu identische Begriffe.
"Gaben gabst du
doch gabst du als Freund nicht
gabst aus holdem Herzen nicht;
ledig wärt ihr
des Lebens jetzt,
hätt ich früher gekannt die Gefahr"
[Edda, Reginsmal, 7; Übersetzt H.Gerling, Leipzig-Wien 1892]
** Angebinde - Siehe Mauss, ebenda, S. 150: "Das durch Tausch, Angebot, Annahme dieses
Angebots und die Verpflichtung zur Gegengabe"
verpflichtendes Band; i.V.m. "Zur Geschichte
des Schenkens" Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte, V, Seite 18 ff. von Richard Meyer.
Pflege-Navi
Eine heldhafte Wende schaffen,
bedeutet, bildhaft gesagt,
das Ermöglichen ein geschicktes
“um die Kurve leiten”
Der Autofahrer mag
am Gesichtshorizont vermeinen,
seine Straße endet alsbald.
Erst in der Scheitelpunkt der Kurve
wird sein Trugschluss deutlich;
eine neue Richtung wird sichtbar.
Wende statt Ende.
Geschicktes navigieren
bahnt neue Wege,
“navigiert durch die Kurve” -
bei sonst gleichbleibender
Technik und Ausstattung.
Die Pflege ändert sich nicht,
nur weil Pflegehelden
neue Pflegepfade und passgeneuere
Pflegeverläufe angehen.
Heldhaftigtige Caring nutzt gerne
neu kalibrierte Instrumente und
spürt nicht ungerne zeitgemäßere
Topologie auf; sie ist offen für inventive Praktiken und Organisationen
mit neu definierte Parameter.
Nicht zuletzt aufgrund situationsbedingte
Gegebenheiten (devoir de situation ➡ Corvid-19)
sind veränderte Wegstrecken unausweichlich.
Gemeinsam mit dem pflegerischen Subjekt
in seine Schuhe gehen, aber mit
eigener Socken, dass macht den Helden aus.
Das ist ihr unspektakuläre Input
und bewältigungsstrategie für
eine möglichst erfolgreicher,
spannende, begeisternde und
gelingender Pflege.
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