9 (a) - Vor-Macht
Auch auf dem Pflegesektor tauchen,
wie in jeder realistischen Machttheorie
Allmacht und Ohnmacht
des pflegerischen Subjekts auf
wenn auch nur als “mathematische”
Macht-Ideen in Groß und Klein.
Denn das pflegerische Subjekt figuriert
nicht als Sandmann mit E.T.A. Hoffmans
irrationale, unheimliche Gesichtszüge
und feurig glühenden Augen.
Die Alles-Nichts-Exempel geht nicht auf.
Fiktionen der Macht sind theatralische
Typen. So wie das einer unendlich Große
(Typ Professor): der unfehlbare Experte,
Alleskönner und Alleskümmerer.
Auch das unendlich Kleine und machtlose
ist Peter-Pan Fiktion (Typ: Patient):
der armer Kranker, arme ‘Socke’ und ‘Tropf.’
In Wirklichkeit stehen Allmacht und Ohnmacht
sich nur gegenüber in der Konstellation
Vor-Macht und Gegen-Macht.
Als Begrifflichkeit keineswegs niegelnagelneu.
Aristoteles spricht von
ein “Anteil haben an nichts.”
Dieser Startpunkt
nahm Jacques Rancière
zurecht zum Anlass
für sein Theorie des Unvernehmens.
Scheinbar Ohnmächtigen, ohne Reichtum,
ohne Geld, ohne Macht und ohne Netzwerke
an Beziehungen, ohne handfeste,
abrufbares Human- und Gesundheitskaptital:
Leute! das sind Fiktionen! Schattenspiele!
Jedermann und Jederfrau erst recht,
verfügt auch noch im untersten Höllenkreis
über die Vor-Macht,
über ihr Unvernehmen,
um ihr Anspruch
im Pflegeprozess kongruent, wirksam
und sinnvoll geltend zu machen.
Lebendiger Metapher
Ikonisch. Als lebendige Metapher (Ricoeur) Sein Bild - seine Personalität
als ausgewiesene Foto auf der Gesundheitskarte ist so zwiedeutig wie das photographische Bild des Bundespräsidenten Steinbruck in Behörden
Sinnbild ist von eine wirkliche Repräsentanz der Macht - auch wenn weder am aufgeprägten König auf der Münze,
noch an das aufgehängte Foto in den Amtstuben echte Macht und Giltigkeit
verknüpft werden kann: das Geld gilt wie auch der Bescheid / das Urteil gültigkeit durch "Anwesenheit des Abwesenden" erhält. Was Logiker von Port-Royal zu Pascals Zeiten zu den Ausspruch verleitete "Das Portait Caesars ist Caesar" Von Louis Marin in Aufsätze und in sein Buch: "Le portrait du roi" aufgegriffen und
von Ricoeur in "Gedächtnis" dezidiert.
Durch Health-Literacy per IoT erfasste Textualität hindurch wird es darum gehen,
sich im Pflegebereich über das Sein des eingescreenten Bildes,
was sich auf den Monitor zeigt,
und seine Wirkungskraft zu befragen.
Durch sie hindurch – { travers eux}
Durch sie, das Gesamtbild, wie es sich im lokalen
sozialen Microraum des Bettes präsentiert,
nicht im kausalen oder instrumentalen Sinn
der nackten Pixelbilder die uns der CamCorder
als digitale Datencodes liefert. Das Bild als lebendige Metapher durchquert die
Textualität archiviertes Ereigniswissens.
Manchmal lediglich mit seinem allgemeinsten Namen »Bild« - "das ist Uli" - Manchmal verknüpft mit dem Namen, den das Bild trägt, "Uli von der Abteilung Attacke."
Dann durchquert das Foto, das Bild auf dem Display
eine Pflege-Geschichte, ein gepixelt und
in schöngefärbte oder malifiziert gemalte Typologie. "Die Galle in Zimmer 12" ist sicher kein Kosewort Es verwirklicht, verherrlicht, verklärt und ist manchmal
mit seinem Dispositiv oder seinen Möglichkeitsbedingungen
auf ewig und unläsbar verschweißt.
Das Bild durchquert Textualität. Pflegedokumentationen oder auch nur schlicht Krankenakten, die zu dem gehören,
was man erst seit rund 200 Jahren als Patientenakte nennt, oder – ursprünglicher – diese überhaupt begründet. Das in Textualität, in Befunden, Anamnesen, Kurven und Konzilen etc. überlieferte "Krankheitsbild" sich mit das Bild des Menschen verschmilzt. Das Bild dessen was der Bedarfspflichtig
zeigt repräsentiert seine Befindlichkeit,
die im Behandlungszimmer aufgerufen; den man an der Strippe hat wenn man ihm zuhause anruft oder zur Rede stellt, oder ihm und sein Verhalten rechtfertigt und beurteilt.
Es ist diese Art und Weise des Bildes, die den Ohmächtigen zum Mächtigen macht: weil er als König Kunde Prestige besitzt. Weil er als Budgetnehmer so mächtig ist dass er ein Heer Freelancer (Landskechten) als Service-Kräften um sich scharen kann. Weil infinity demanding es ihm ermöglicht
souverän seine ATL-Kompetenz so zu
gestalten, dass er auch dann,
wenn er auf seinem Thron sitzt, sich fühlen kann wie der Sonnenkönig Ludwig XIV.
Zu dessen morgendlichen Aufstehzeremonien
zählte eingeladen zu werden, dass als
Privile galt. Gäste empfing
der Monarch gern auf dem Toilettenstuhl.
Prestige und Pflegepräsenz kreuzen sich am pflegerischen Durchgangspunkt,
bei der der Re-Repräsentationseffekt bildgebende Verfahren ihre Trümpfe ausspielt.
Unter Aufweis des sichtbaren Porträteffekt, mittels gescreente Aufzeichnungen zeigen sich Aufschlüsse, di,e verquickt mit seiner symptomaler Sprache,
im Diskurs der Rede einen handlugns- und bedarfpflichtigen "Gesamteindruck" - die dann bei allen kommnikative Handlungen immer ikonisch zu Sprache kommt,
weil das Erscheinungsbild stets zentral steht.
Genau dieses "hausgemachte" Menschenbild
durchquert die
Textualität einer symptomale Lektüre
und verändert sie; durchquert durch es,
verwandeln es textual erfasste Pflegeprozesse.
Wechsel, Verwandlung, Metabletica,
Meta-Morphose und vielleicht
besser noch:
Verkehrung. Mächte des eingescannten Bildes,
erfaßt im Durchgang und im transitus
durch ein Vielzahl singuläre Inskriptionen und
unspezifische, dem Ereignis nur angehefete TAN-#:
Durch sie hindurch tritt das Sein des bildhaft
archiverten pflegerischen Subjekt hervor und
wird seine Wirkungskraft zu befragen sein.
Der Ort der Repräsentation gibt
am Monitor oder Bildschrim
Aufschluss über ein in
der Zeit oder im Raum
Abwesendes oder vielmehr ein Anderes,
und es vollzieht sich eine Substitution
dieses Anderen durch ein noch Anderes
an seiner Statt.
Wie zum Beispiel in jener originären,
jener Ur-Szene des christlichen Abendlandes:
der Engel am Grab am Morgen der Auferstehung
– »er ist nicht hier, er ist woanders,
in Galiläa, wie er gesagt hat« –
hier wird das Das/Es des toten Leibes
und seine Trägheit ersetz durch eine Botschaft,
welche die »Kraft« einer Aussage aufscheinen läßt,
deren Inhalt
sich gleichwohl darauf beschränkt,
in der Heterogenität einer
anderen
semiotischen Substanz,
der Sprache, eine Abwesenheit
–
»er ist nicht hier…« –,
die Abwesenheit des »Selben« zu vermerken.
Diese Vor-Macht des pflegerischen Subjekt sich selbst zur repäsentieren
und sich in digitale Archiven sich selbst re-repräsentiert zu wissen
ist eine extern ausgelagerte "Archäologie des Wissens über sich selbst" und stellt somit eine "fordernde Fiktion" dar.
Eine Forderung nach Selbstentwicklung
die im Bezugsrahmen einer
Dilettantismus als Beruf gelesen
und vom pflegerischen Subjekt
als "Frage an Dr. Sommer"
mit inventive Kartierung gedeutet
werden kann - und sollte.
Eine etwas anders gelagerte Macht
des Ohnmächtigen möge hier
nicht unerwähnt bleiben:
die Reduktion auf das Selbst,
die scheinbare Selbstbeohnmächtigung.
Ein Tugend die (nach Meister Eckhard),
vom Wesen her korrespondiert
mit autarkes, "selbstinnesein"
bzw. auf Apatheia fußende "Gelassenheit"
und stoische Selbstgenügsamkeit.
Deren Kennmerk zeichnet sich darin aus,
um seine [begrenzte] Fähigkeiten
bescheid zu wissen.
Als ebenso ohnmächtiges und belastendes
wie wervolles Basic und belastbares Gepäck.
Zu wissen was man ist,
zu wissen was man kann
und zu wissen, wo die Grenzen sind,
sind Einträge auf das Lebenszeitkonto.
Einsatzkapital im Grundstock,
die kommunikative Handlungen
sinnvoll zu steuern vermögen wenn
einsetzbares Sozialkaptital
mit Glück und Beratung
zu gelingende Investitionen
auf der Gesundheitsmarkt werden.
Dieses Aktienpaket
mit verfügbare Ressourcen,
und seine sie noch so "ohnmächtig"
(penny-stocks) ohne große Nennwert,
sind dennoch Chips im
Pflege-Poker-Spiel,
die im pflegerischen Aktionsfeld
befähigen, seine Daseinsversorgung
anhand ein probability approach
profitabel auszugestalten.
Macht der Ohnmächtige,
weil im persönlichen Gepäck
als verfügbares, persönliches
"jemeiniges" Budget auch bei
kleines und geringes kreditfähiges
ein Vermögen verborgen liegt.
Verfügbares Vermögen,
mit der das pflegerische Subjekt
trotz seiner Ohnmächtigkeit
effektiv (L'effet c'est moi")
sein Wort und Wille
Nachdruck zu leisten vermag.
Mit dem Ziel, als Broker sein
restierendes Gesundheitskapital
gewinnbringend als Prosument
einzusetzen ohne eine
Nervenzusammenbruch oder
totale Erschöpfung als
Gesundeheits-Insolvenz anmelden zu
müssen mit klinisch relevante Folgen:
- operationsbedürftig
- intensivspflichtig
- Pflegebehandlungsbedarf
- vermehrte Risikofelder
- komplexitätssteigernde Fallverlauf
- gesteigerte Multimorbidität
- hohe Letalitätsraten
Profitable Pflege-Poker
ist die spielerische Form,
mit seiner Ohnmacht und Macht
sich selbst als Joker mit Verve
um so mit seiner Gestaltungsmacht
so kongruent wie effizient
zu haushalten und zu wirtschaften.
In Jean Jacques Rousseaus Sprache
gesagt (zitiert in sein "Emile"):
"O Mensch [o pflegerisches Subjekt]!
Leben Dein Leben in Dir selbst,
und Du wirst nicht mehr
unglücklich sein.
Bleibe an dem Dir von
der Natur zugewiesenen Platz
in der Reihe der Geschöpfe,
und er wird Dir
durch nichts
streitig gemacht
werden können.
Deine Freiheit,
Deine [Ohn.] Macht
reichen nicht weiter
als Deine natürliche Kräfte;
alles übrige ist
Sklaverei,
Illusion,
Blendwerk.
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