8 (f) - Immersiver Macht
Immersiver Macht, nennen wir fortan
die affektive Form des pflegerische
Governementalität (intrasituative Regieführung).
Sie generiert und definiert das
pflegerische Subjekt als
Microkonstitution (Taylor).
Darum, weil sie
eingebettet (immersion) ist
in (s)ein Microkosmos at bedside
die ihm zu ein Microraum wurde
die geschickt und mit ein
Chuzpe an Schicklichkeit selbst
proaktiv obwaltet statt sich passiv
vom Schicksal verwalten zu lassen.
Immersion hat vorrangig mit sein situativ
geschlossenen Milieus zu tun
in der das alltagstägliche Leben
seine Bedeutung und Wertschätzung findet.
Doch die Schließung ist nicht Ursache
sondern Effekt inhärenter und
intensiver Qualitäten – es ist
eine Abschließung, die weder auf den Mauern
einer Klinik oder Seniorenzentrums
(fordistische ‘Pflegefabrik’) ruht noch beruht auf
internalisierten Normen eines Disziplin-Apparates.
Immersion zeigt sich als eine Form
der Einflussnahme und kann somit
als Machtausübung aufgefasst werden,
die in ein Modulationsgeschehen
als hierarchiefrei inszenierten
sozial-relationalen Kontexten
erläutert und kontingent
erarbeitet werden muss.
Max Schelers Definition fügt sich hier
nahtlos ein wenn er die mehrschichtige
Form des Leistungswissen in
Kontext zu einer "Machtpotential
der Subjektivität" setzt.
Als Leitsatz in ein Pflegehandbuch
könnte Schelers Definition des
zu pflegenden Person
als pflegerisches Subjekt sein:
"Zum Sein unserer Person
können wir uns nur sammeln,
zu ihm hin uns konzentrieren -
nicht aber es objektivieren"
(Max Scheler, "Stellung des Menschen im Kosmos" Kap. 6)
Differenzierter: Beim Menschen ist der Drang
kein Drängen auf etwas hin,
sondern die sich auslebenwollende Kraft.
Der Drang als menschliches Phänomen
ist die Urpotenz des reinen Willens.
Der Drang beim Menschen wird von Scheler
nicht mehr biologisch unter dem Gesichtspunkt
der Lebenserhaltung betrachtet,
sondern metaphysisch als
"Machtpotential der Subjektivität.“
Die Idee, „dass der [subjektive] Gefühlsdrang
die ursprüngliche Erfahrung des Menschen
von der Wirklichkeit darstelle“,
hat Scheler in verschiedenen Abhandlungen
zur Sprache gebracht.
Das Betonen und herausstellen,
dass Vorsicht geboten sei
mit einfache Definitionen
wie "Leistungswissen" und
ansiedeln von kernige Begriffe an
das Vorhandensein vom
bestimmte subjektive Kräften
und persönlichem Stärken,
ist ebenfalls ein Verdienst von
Max Scheler:
„Der Mensch ist ein so breites,
buntes, mannigfaltiges Ding, d
ass die Definitionen alle
ein wenig zu kurz geraten.
Er hat zu viele Enden.“[5]
Sozialtheoretisch steht die Immersion als angewandter Pflegekunst die Repression entgegen:
dem Zwang, der Weisung
und Unterwerfung
und beschreibt doch eine Form
der situativen Einwirkung auf das Denken,
Fühlen und Handeln eines Individuums.
"Der Mensch soll kein [Pflege-] Kunstwerk werden.
Selbstbildung bzw. Selbstarbeit ist
nicht „Sich-zum-Kunstwerk-machen-Wollen“,
vielmehr von jeglichem Wollen frei zu halten.
In der Bildung [als sich selbst
{weiter-} entwickelnde Selbstarbeit]
soll der Mensch sich „verlieren“,
um sich selbst zu gewinnen.
Dies gelingt, indem man sich
von einem Vorbild erfassen lässt.
Die so wirksam werdenden Vorbilder
können unterschiedlicher Art sein.
Denn es gibt nicht die einzige Humanität,
die für alle Menschen gilt.
Hinweis: Immersion (fachsprachlich „Eintauchen“)
beschreibt beim pflegerischen Subjekt
den durch seine Umgebung [des Bett als Microraum]
hervorgerufenen Effekt die ihm quasi wie ein
Virtuellen Realität (VR) erscheint:
Die Wahrnehmung einer "Antistruktur" die ihm
bisher fremd war - weil er Gesund und Beschwerdefrei.
Jetzt wird das Bewusstsein und Gefühlsleben
des Nutzers, illusorischen Stimuli ausgesetzt.
Symptomaler Lektüre, die ebenso real
wie irreal ["Phantomschmerz"] sein können.
Dieses Eintauchen in der Pflegewelt
kann so weit sein, dass dadurch die
Normalität des Alltags in den Hintergrund tritt.
Nur noch die erlittene Abhängigkeit und
notwendige Hilsfsbedarf wird real
empfunden und so zur virtuelle Umgebung.
Ist der Grad an Immersion besonders hoch,
wird auch von „Präsenz“ gesprochen.
Im Unterschied zur passiven, filmischen Immersion
erlaubt die virtuelle Realität, so wie sie
intrasituativ im Durchgangspunkt der Pflege
als Ereignis passiert und im handlungspflichtigen
OPP [Obligatory Passage Point] als
kommunikative Handlung / Maßnahme angefordert wird,
eine Interaktion mit einer virtuell greifbare Umgebung,
insbesondere mit AAL-Technik, da der Grenze
zwischen erlebte und (digital) auf dem Monitor
präsentierte Pflegewelt sich überschneidet,
wodurch im Rahmen einer Digitalsierung der Pflege
eine wesentlich höhere
Intensität der Immersion erreicht werden kann.
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