8 (e) - Kolonisation I - ASO Perspektiven
Das pflegerische Subjekt ist “Door-opener.”
Nur bei innenseitig gedrückter Klinke
findet Caring statt. Zulassen, Zugang bieten ist
ausgeübtes, prärogatives “Vor-Recht.“
Darum beruht Caring auf eine affektiv-relationale
Modalität von Macht- und Subjektivierungswirkung.
Dies ist eine immersive Spielart von Macht.
Immersion beschreibt den durch
eine Umgebung der Virtuellen Realität
hervorgerufenen Effekt,
der das Bewusstsein des Nutzers,
illusorischen Stimuli ausgesetzt zu sein,
so weit in den Hintergrund treten lässt,
dass die virtuelle Umgebung
als real empfunden wird.
Immersive, biopolitischer Macht setzt die
von Foucault beschriebene historische Linie,
beginnend bei der souveränen Macht,
über Disziplinarmacht als Zwischenstufe,
weiter geführt als Gouvernementalität,
in die Gegenwart fort - wenn dem nicht
ein Unvernehmen (Rancière) entgegengesetzt wird.
Unvernehmen in der hier vertretene Haltung
ist Pflegepolitik die der Pflegeprozess,
sooft sie als instantande, intersubjektive Entität
in Erscheinung tritt, vorstellt als eine Kette
von Subjektivierungen.
Als eine Lebenspraxis des Streits, eines
Lebenskampf, dessen Ruf niemals endet (Hesse).
Es ist nicht der Kampf zwischen Arm und Reich,
zwischen Mächtigen und von der Macht Ausgeschlossenen.
Es ist ein "biopolitischer" Herausforderung,
welches nicht parteipolitisch zu lösen gilt,
sondern es ist Realpolitik des Alltagtäglichen selbst.
Indem der gesellschaftliche Anteil der Ohnmächtigen,
der Anteillosen („la part des sans-part“)
sich seiner Position bewusst wird und
das pflegerische Subjekt
für seine Rechte eintritt,
werden soziale Strukturen revidiert.
Das bedeutet in einem auch eine klare
Absage an den vordergründigen
Konsens einer medialisierten Pflegepolitik,
die Voll- und Teilkasko Lösungen,
theologisch gesagt, "extra nos" als
methodisch nach Schema und Schablone
Lösungsschema vorschreibt und überstülpt.
Auf den Weg gebrachtes Unvernehmen ist
Inanpruchnahme eines in Freiheit ausgeübte,
unverbrüchliches Vor-Recht. Nicht zuletzt ausgelöst von den selbständig
agierenden Care-Craftsman.
"Noch lastet Das erst kürzlich
kolonisierte Greisentum
der modernen Zeit
auf dieser Gesellschaft
mit dem gleichen Druck wie die seinerzeit
kolonisierten Völker der Eingeborenen.
Der Ausdruck Drittes Lebensalter sagt genau,
was es beinhaltet: eine Art von Dritter Welt.«
"Die Alten," so Baudrillard,
"seien zu einem Tod verurteilt,
der ständig zurückweicht,
mit der Folge,
dass dieses Alter seinen Rang
und seine Vorrechte verliert.
Das war einmal anders: Der Status
des Greises, der durch den des Ahnen
vollendet wird, war der angesehenste.
Aber der Greis war auch ein seltener Fall."
Der französische Soziologe Jean Baudrillard
hat das schon 1982 exakt beschrieben,
und man kann seine Worte vierzig Jahre später
nur mit Schrecken nachsprechen,
denn es hat sich nichts geändert,
es ist nur schlimmer geworden:
»Das dritte Lebensalter wird
für die gesellschaftliche Verwaltung
zu einer gewaltigen toten Last.
Ein ganzer Teil des gesellschaftlichen
Reichtums (Geld und moralische Werte) verpufft,
ohne dem Alter einen Sinn geben zu können.
So wird ein Drittel der Gesellschaft
in einen Zustand der Sonderung
und des ökonomischen Parasitentums versetzt.
Die dem Terrain des Todes abgerungenen
Gebiete sind gesellschaftlich verwüstet."
Als Massenphänomen wird
das Alter zum »trash«. zum Müll. So das Resümee von Gronemeyer & Schlultz in ihr Buch "Die Rettung der Pflege" auf S. 120. Sie greifen Baudrillards Thesen zur Kolonisierung an andere Stelle auf und definieren diese Kolonisierung, rein sprachlich als Elend (Etymologisch von e-lend ohne land) - Im Heim und doch Heimatlos.
Heimatlos, mit Jung-Stillings "Heimweh " im Herzen, ohne Jung Stillings Hoffnung im Sinn und dessen pistologische Verankerung im Leben.
Nur aufgrund seines heroldischen
und heroischen Einsatz gelingt es dem Care-Craftsman
das pflegerische Subjekt in der Lage zu bringen sich selbst und seine Lage zu beschreiben.
Indem es eine Neuauflage eines contrat social
(Rousseau) erstellt, aufgrund dessen es sich selbst aus sein
'selbst verschuldete Unmündigkeit' (Kant) herauslöst
und sich aus institutionelle Umklammerungen
(aus den Kolonisation vorgefertigte Pflegewelten)
effektiv und effizient zu befreien vermag.
Denn die fixierenden Strukturen der Pflegewelt
werden - nicht zu unrecht -gerne bezeichnet als »Einschließungsmilieu«. Das betrifft sowohl
das pflegerische Subjekt durch seine Bindung durch Umgrenzung (an administrative
[Teilkasko-] Versorgungsstrukturen),
wie des üblichen Verdächtigen: des von Lohnpflegegleichgültigkeit gehemmten
Pflegekraft, der, gebunden und abgesichert
während feste Arbeitszeiten mehr reagiert (auf den Klingel) wie proakiv und mobil agiert.
Pflegeparkplätze mit verängstigte,
“enggeführte” Bunkermentalität
in ASO-Pflegefabriklandschaften
war Gestern?
Max Weber zufolge entstammt
der Ausdruck "Fabrica" des Mittelalters. Dort als Umschreibung von Kellerwerkstätten.
Ländliche Werkstätten, die nicht
im Besitze mehrere Handwerker waren
sondern dem Gutsherrn gehörte. Zitiert bei P. Laslett "Verlorene Lebenswelten Wien 1988, S. 224
Pflegefabriken im Eigentum von Gutsherren?
Nicht von Handwerker, sondern von
Kaufleuten gelenkt und geführt?
Eigentlich gestrig.
Und doch nicht: postmoderne Realität
in Oberhausen 2021 / 2022
Kurisoserweise als Folge
zweckrationalisiertes, ökonomisiertes und renditeträchtiges Denken i.V.m. einer energisch betriebene
Entlassungsproduktion.
Um Pflegenotstand zu kurieren werden
moderne Pflegekabinen fabrikmäßig und
fleissig am Fließband produziert.
Bienenwabigeng gereihte Zellen mit
eigene Naßzellen incl. - total 23-24 m²
Kunden erhalten 2021 / 2022
teuerwerter Kreuzfahrtkomfort
geboten; Kursana werkelte in Haminkeln schon seit 2019
in noble Domizilen.
2021 am Start in Oberhausen (2023 noch nicht realisiert).
Pflegehotels waren 2022 Politprogramm: temporäre Kolonisieren von Menschen
mit Bedarfe, die von Interimskräfte versorgt, betreut, unterstützt und gepflegt werden - sollen.
Sollen - sollten - was bisher, 2023, weder funktionierte im Kursanas Projekt
im Lebenspark Oberhausen, noch
als sonstiger P-Hotel-Konstruktionen.
Himmelstürmende Raketen
im koloninisierten Gesundheitswesen
verwenden aktuell als Antrieb ein Trägerstufe mit ein irgendwie modifiziert
übernommene Konzepte der ASO: Pflege raus, Betreuung rein.
Am erfolgreichsten: täglich
proportioniere Begleitung in der
Tagespflege: spart Hoteleriekosten
und aufwändiges Vorhalten med.
geschultes, pflegefähiges Fachpersonal.
Deren Erfolg darin mithin besteht, überwiegend mit Teilzeitbeschäftigte
Betreuungspersonal und Alltagshelfer
statt VZ Pflegekräften als Bootspersonal,
in See zu stechen; postmoderne
Meeresstille und glückliche Fahrt
als boomende Pflegewelt
statt romantische Klangwelt.
Das der Begriff der Kolonisation
weiter greift als nur beschränkt auf
hybride Formen einer günstige Betreuung, die
verkauft wird als teuerwerte Pflege,
bei der makrokönonomisch viel Umsätze
generiert werden in Mikrossegementen,
die auf Zellen zwischen 16 -24 qm. beschränkt
sind, sei mit Hinweis auf Hardt/Negri's Buch "Empire" erwähnt.
Nach diesseitiger Auffassung ist den vorgenannten Autore zuzustimmen, dass
wir uns allenfalls einen postkoloniale
Blickwinkel aneigneten, sooft wir meinen
unsere Daseinsverständnis (incl. Daseinsversorgung)
wäre unbefangen von Prä-Determinanten. Wir kommen auch als Symbolanalytiker
in Zukunft nicht so ohne weiteres los von den Schatten unsere Herkunft:
"Das postkoloniale existiert nur im Gefolge,
als Danach-Danach, das am Kolonialismus haftet" Dieses Zitat von Prakash trifft jene besonders,
die mit mikroökonimische Pflege-Paramter sich als mit pflegesensible Leistungen als Zukunftmöglichkeitsmacher in Quartiersnahe Vesorgungsbetrieb
situieren wollen. Um erfolgreich die Pflegelandschaft 2023 zu gestalten bedarf
es weit mehr als Pflegekolonien in Heimqualität zu immitieren und in abekupferte Klein-Klein-Format
zu restrukturieren - als Produkt von selbsternannte
und oder auch qualifizierte, auf der Pflegemarkt mit Fug zugelassen Pflegexperten. Veränderungen wird nur der Klient schaffen,
der in Selbstarbeit seine Sorge proaktiv als Prosument
selber souverän - inmitten einer hybride Gesellschaft,
die sich digitale vernetzt und offen aufgestellt den User
auch Zugriff bietet und gewährt zu effektive und effiziente Service in Gig-Economy-Konstellationen,
die wiederum sich als "Dritte Raum" präsentieren,
um sein Mikroraum at bedsite selbst gestalten
und sein Bedarf an Pflege-Sachleistungen selbst,
passgenau und nach Maß,
ohne Bevormundungen und "Anmaßungen"
nach § 35a SGB XI beauftragen kann.
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