12 - Unheimlich
Caring, als Eingriff
in die Alltagsnormalität,
nimmt dort, wo sie passiert,
nämlich konkret at bedside,
Einfluss auf das situativ Gegebene
anhand einer Pflegediagnose,
die irgendwie immer “komisch” klingt.
Das Dasein ist nicht Syntaktisch (Beckett).
Die Möglichkeit des aktiven Handelns
ist für den Verbraucher
pflegerische Leistungen eingeschränkt.
Das, was dran ist (ti-draso)
im Kontingenz des Alltags
figuriert sich beim pflegerischen Subjekt
als ein unlösbaren ti-draso-Zustand,
bei der >etwas begehen< und
>etwas tun wollen< aus
gegebener, intrasituativen Anlass,
verunmöglicht wurde.
Die Aktivität der Tat steht selbst
auf dem Spiel: nicht mehr zielstrebig
Selbstpflege, selbständig als “Selbstarbeit”
gestalten und bewirken zu können.
Eine unheimliche Leerstelle,
eine Handlungslücke tritt in Erscheinung;
das proaktiv ausgerichtete
pflegerische Subjekt gerät schnell
in ein verharrenden Wartemodus.
Die Zeit dieses Ereignisses umschließt
eine leere Zeit ohne Gegenwart,
die sich von allen aktuellen,
körperlichen Inhalten befreit
und nur das enthält,
was auf dem pflegerischen Ereignisfeld
in Erscheinung trat oder
als Vorkommnis noch ereignen wird,
aber, im Augenblick nicht,
nicht mehr oder noch nicht passiert.
Dieses unheimliche Zuwarten
ist eine kritische Zwischenzeit,
eine tote Zeit, dort,
wo nichts geschieht,
kongruente Pflegepräsenz noch nicht
im Blickfeld geriet und dann
im Modus eines unendliches Wartens
runtergeschaltet wird, sofern
die Gestaltungsmacht des Prosument
noch nicht erweckt, oder (dichterischer)
wach geküsst von die Muse der Pflegekunst.
Es ist und bleibt ein Jammer
wenn das pflegerische Subjekt
unheimlich weit hinter seine Möglichkeiten
und Kapazitäten zurückbleibt (Discountet).
Jämmerlich, wenn der homo capax
seine angeborene Fähigkeiten nicht nützt
indem es seine (Pflege-) Probleme auf
der lange, lange, unendlich langen Bank schiebt.
Der ewige Wartebank ist bestückt
mit Wartenden auf Godot (Beckett).
Im Hinterkopf einer moderne Spielart
eines unheimlicher Spukbild
eines Handlung hemmender reservatio mentalis:
entweder passiv, demütig,
geduldig teetrinkend zuwarten -
irgendwann bin ich dran kann;
oder agitiert, aggressiv mit unverkennbarer
Touch einer moral hazard (ethisches Wagnis) -
eigentlich bin ich jetzt endlich
auch mal dran;
vorzüglich dran,
eigentlich sofort,
eigentlich auf der Stelle,
schließlich bin ich genau dafür versichert,
dass ich eigentlich auch immer dran komme,
wenn ich dran genommen werden will.
So kommt zur obligaten Pflegesituation
ein Unheimliches, was akademisch von Ernst Jentsch 1906 beschrieben:
“Zur Psychologie des Unheimlichen.”
Pflegepraktisch läuft's genau so:
auf der Monitor tauchen
literale Symptom auf, mit
heimlichen intrasituativen Kenmerk
die dazu kommen ohne
eigentlich als Schatten dazu zu gehören.
Manchmal wie ein entdeckte
“blinde Passagier.”
Zuckersüß als “Alter Ego”
schon immer an Bord.
Bis es als Diabetes Umstände macht.
Manchmal wie Demenz und Corona:
unheimliche Gegebenheiten
die das geläufigen Alltagsgeschehen
spektakulär ändern indem es
Daseinsversorgung umstülpt durch
dementieller Selbstentfremdung oder Corona.
Mit obligater Pflegesituation definieren wir
eine konkrete Situationsgegenwart –
vertraut in ihrer Typik, die sich in einer
anschaulichen Umwelt
gerne als hidden action darstellt.
Eingeschrieben mit virtuellen
Finger in unser Alltag:
Der sich bewegende Finger schreibt;
und nachdem er geschrieben hat,
geht er weiter:
Weder deine ganze Frömmigkeit
noch dein Witz werden
Inskriptionen zurücklocken.
Dein Hasten und Sputen vermag
keine eine halbe Zeile
abzuknapsen;
Inskriptionen sind
immutable Mobiles, instantane,
intersubjektive Entitäten.
All deine Tränen,
all dein Tun und Treiben waschen vom pflegerischen Signatur
kein Wort aus, noch vermag heftiges ruckeln, rütteln, abreiben und aufreiben,
Zeichen des Signifikats auszulöschen und
zunichte zu machen.
Pflege ist nicht immer großartig
dafür i/d Regel quicklebendig;
sie quinkeliert lieber als lebendiger Spatz
denn mächtig zu protzen
als ausgestopfter Adler.
Troubleshooter
Das pflegerische Blickfeld hat
ihre besonderen und beschränkten
Horizonte (innerhalb des Welthorizontes).
Ihre Framing (Rahmenbedingungen)
ist von einem jeweiligen
praktischen Interesse geprägt
hinsichtlich des, was in Frage kommt.
Die fokussierte pflegerische Imagination
ist
mithin exakt bestimmt von dem,
was in der ebenso unheimliche
wie spezifische und dramatische
ti-draso-Zustand DRAN ist.
Dran - in Sachen Arbeitssituation,
Reisesituation, Marktsituation,
Erholungs- und Spielsituation etc.
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