"Mitbeigebracht"
Mit Designatoren - Benennungen, designierte
Zuschreibungen, ostensive Indikatoren - sind wir im Bilde:
Wir “sehen” mit den Namen
Vincent van Gogh sein Werk vor Augen.
Wir “Wissen” mit Kants Namen wie sich
kritische Vernunft mit Würde verknüpft.
Wir “hören" beim Namen Beethoven
in dem Maße und Umfang, wie wir mit
Beethovens Person "seine Geschichte”
als eine eigene “Erzählung” aufladen;
mit der 5. Symphonie im Hintergrund.
Implizites Wissen ist das Werkzeug
Nr. 1 bei evidenz basierte Pflegepraxis.
Es ist "Ereigniswissen" und
“Vermutungswissen” die der Pflegekraft
mit dem pflegerischen Subjekt als Person
sein Wesen und sein Werk verbindet.
Das kann sehr unterschiedlich gepolt sein.
Beispielsweise, wenn wir "Mozart" gewärtigen:
Laaaangweilige Musik ./. classic fantastic.
Manchmal bedienen wir
durch gezielte Benennung dieses
implizites wissen, indem wir
erlebte Handlungen oder aktuelle Erfahrungen
einen Wert beimessen z.B. brillant vs. antiquiert
oder provokativ kritisch:
unzeitgemäße Betrachtungen.
Aron Gurwitsch benutzte statt implitztes Wissen
die Umschreibung des in der [pflegerische Situation]
"Mitbeigebrachtes"
"Dieses "Mitbeigebrachtes" ist in der [Pflege-]
Situation <anwesend>, aber in der weise,
in der ein Horizont anwesend zu sein pflegt:
weder ist er in der Situation aufgenommen
noch trägt er dazu bei,
sie auszuprägen, wohl aber
verweist [ostentativ]
die Situation selbst
auf ihn als Horizont
und verweist [Ostension]
damit über sich selbst hinaus.
Die Verweisung der Situation
und der in ihr figurierenden
Zeugganzheit bedeutet die Möglichkeit
eines kontinuierlichen Hineingehens
in diese verschiedenen Horizonte,
wobei das nur "Mitbeigebrachte"
in neuen Situationen zu einem
wirklichen Zuhanden werden kann"
Zitierte bei Gerd Sebald, "Generalisierung und Sinn" Konstanz, 2014 S. 132
Unsere Wirklichkeit
ergibt sich anhand Ostensionen
bzw. Verweisungen - von Gurwitsch gut
heraus gestellt.
Darunter versteht Caring ein Akt des Zeigens
oder Demonstrierens, das Leuchtend
und Einleuchtend genug ist (Plausibel)
für ein kognitives Zuhause;
Ostension - aufzeigbares Vermutungswissen
ist somit eine vollkommen vertraute Art,
ein handlungsfähiges Caring-Konzept einzuführen.
Verweisende Ostension ist
perfekte Imperfektionismus.
Stückwerk. Inskriptionen sind nie
letztgültig ausreichend;
Der Stunde, an dem
das pflegerische Subjekt
vollständig beschrieben sein wird
ist im ewigen Kalendarium
an St. Nimmerleinstag datiert.
Bezweckt wird mit diese These
der ostensive Benennung,
des verweisenden, implizites Wissen
und der pflegerische Alltagslogiken:
Simplizitäten und einfache Dingen
bitte nicht endlos ausdefinieren,
sondern schlicht als “Sosein”
erhellend und elementar zu benennen.
Beispielsweise Mülleimer.
Die richtige Antwort auf die Aussage
“Ich glaube die Mülleimer ist voll”
heißt nicht: 10 Liter Unrat,
bestehend aus dies und das,
sind enthalten im vollem,
rot lackiertem Metall Eimer
mit grauer Plastikdeckel etc,
sondern:
“Ich geh schon”
Das Paradigma des impliziten Wissens wird zunehmend
als wichtige Wissensquelle anerkannt, die die klinische Entscheidungsfindung beeinflusst.
Es wird jedoch durch einen ausschließlichen Fokus auf
durch klinische Praxis erworbenes Wissen und
eine konsequente Vernachlässigung der ursprünglichen
und soziokulturellen Bedeutung des
verkörperten Selbst begrenzt, genau das,
was die Grundstruktur des impliziten Wissens
der Fürsorge und Care-Handwerk (Pflegekunst)
und seine Manifestation erleichtert.
Gestützt auf die Ergebnisse von der Anthropologin
Pia Kontos durch einer qualitativen Studie mit 43 Praktikern
der Demenzpflege in Ontario, Kanada, die forschungsbasierte
Theater- und Fokusgruppenmethoden verwendet.
Mit Pia Kontos argumentieren wir,
dass verkörperte Selbstheit grundlegend
für das implizite Wissen der Pflege ist.
Die Ergebnisse werden analysiert, indem auf die theoretischen Grundsätze der verkörperten Selbstheit zurückgegriffen wird, die in Merleau-Pontys (1962)Rekonzeptualisierung der Wahrnehmung und Bourdieus (1977 , 1990 ) Begriff des Habitus. Wir schließen mit einem Aufruf zur weiteren Erforschung des Körpers als Ort der Produktion von implizitem Wissen.
Implizites Wissen wird zunehmend als wichtige Wissensquelle anerkannt, die die klinische Entscheidungsfindung beeinflusst ( Malterud 1995 , Malterud 2001 , Rycroft-Malone et al. 2004 ).
Das Paradigma des impliziten Wissens privilegiert die klinische Erfahrung in der allmählichen körperlichen Assimilation von Fähigkeiten/Wissen und der daraus resultierenden Leistungsfähigkeit des Körpers ( Benner und Tanner 1987 , Malterud 1995 , Malterud 2001 , Meerabeau 1992 , Shaughnessy et al. 1998 , Purkis und Bjornsdottir 2006 , Thomson 2003).
Doch die Betonung der klinischen Erfahrung übersieht die ursprüngliche und soziokulturelle Bedeutung
des verkörperten Selbst ( Kontos 2004b , Kontos 2006a ),
also genau das, was wir argumentativ zur Diskusion stellen;
intuitive, "stilles Wissen" fundiert auf evidenz basierter Praxis
liefert die Grundstruktur des impliziten Wissens
einer pflegesensible Daseinsversorgung und erleichtert
seine Manifestation. Der Ur-/Existenzleib, der die zeitliche und körperliche Weise des In-der-Welt-Seins begründet, und die Körperdispositionen, die durch soziokulturelle Bedingungen der Primärsozialisation geprägt sind, sind integraler Bestandteil des Selbstseins ( Kontos 2004b , Kontos 2006a ),
in Anlehnung an Jaspers "Seinsinneseins"
und ist als iteratives Modellkonzpept im weiteren Sinne
das grundlegende Herzstück (Core) für das implizite
Wissen über Caring undCuring.
Dieser Artikel in Anlehung an "Implizites Wissen über Fürsorge
und verkörpertes Selbst von Pia C. Kontos , BA, MA, PhD 1 und Gary Naglie , MD, FRCPC, FGSA" propagiert
eine Erweiterung des Paradigmas des impliziten Wissens,
um verkörperte Selbstheit als Quelle für Fürsorgepraktiken einzubeziehen. Die theoretischen Grundsätze der verkörperten Selbstheit wurzeln in Merleau-Pontys Rekonzeptualisierung der Wahrnehmung und Bourdieus Begriff des Habitus.
Diese Autoren liefern den theoretischen Rahmen
für die Artikulation des Körpers
als Ort der Produktion von implizitem Wissen
über Daseinsversorgung im Alltag.
Die Ergebnisse stammen aus einer
qualitativen Studie mit 43 kanadischen
Demenzpflegern, die wiedererum daraufhin deuten,
dass soziale und kulturelle Gewohnheiten,
Bewegungen und andere körperliche Hinweise
wichtige Informationen über die Individualität
von Pflegebedürftigen preisgeben,
was ihre Persönlichkeit
für Praktiker in den Fokus rückt.
Darüber hinaus nutzen Praktiker
ihre eigenen körperlichen Dispositionen,
um im Rahmen der Demenzversorgung
sinnvolle Verbindungen zu ihren
Pflegebedürftigen herzustellen.
Wir schließen mit einem Aufruf
zur weiteren Erforschung der Beziehung
zwischen verkörpertem Selbst
und implizitem Wissen im pflegesensiblen
Kontext einer "Gerechtes Sorgen"
als Ausdruck einer moderne Pflegekultur.
Damit wird bewusst eine fachnotwendige
pflegesoziologische Abgrenzung angebahnt
gegenüber ein Großteil der Literatur
über implizites Wissen, wie diese
in der klinischen Praxis basiert und dort beschrieben von
Polanyis (1966 , 1969 ) und Benners (1984)
Annerkannt wird, dass dort zutreffend eine
Konzeptualisierung von pflegerelevantes,
verkörpertem Wissen beschrieben wird,
dass durch Erfahrung erworben wird.
Wobei Wissen aus medizinischer Sicht skizziert wird
und stillschweigend als "technisch gegeben" bezeichnet
wird, wenn es nicht explizit artikuliert
werden kann (Polanyi 1966) und wenn der Körper
ohne Überlegung oder Voraussicht weiß,
was zu tun ist (Benner 1984).
Benner und Tanner (1987) Beschreiben
die Rolle des stillschweigenden Wissens
bei der Durchführung instrumenteller Fähigkeiten,
wie z. B. das Einführen eines intravenösen Katheters.
Sie stellen fest, dass die erfahrene Krankenschwester
eine stillschweigende Verbindung
zwischen ihren Fingern und dem Katheter entwickelt
und eine „verkörperte Übernahme einer Fertigkeit“ erlebt,
bei der sie mit der Katheterspitze sondiert,
als wäre sie eine Verlängerung
ihrer Finger ( Benner und Tanner 1987 : 26).
Die Bedeutung von implizitem Wissen
für die Expertise wurde in der Praxis von Anästhesisten
identifiziert (Pope et al. 2003), wo gezeigt wurde,
dass das Wissen zum Beispiel zur Kanülierung
einer Vene nicht explizit durch Texte,
sondern implizit durch die klinische Ausbildung
vermittelt wird. Dies steht im Einklang
mit Carlsson et al. (2002), die argumentieren,
dass sich Fürsorge nicht durch
theoretisches Lernen entwickelt,
sondern als körperliches Wissen
assimiliert wird, das zu einer Erweiterung
des Lernenden wird. Carroll (1988)
So wird die Bedeutung des impliziten Wissens
identifizierte von Pflegekräften, bei der Vorhersage
des Risikos, dass Patienten ein Druckgeschwür
entwickeln, wenn systematische Verfahren
zur Vorhersage allein oft versagten.
Implizites Wissen wurde auch als Schlüssel
zur klinischen Beurteilung der kognitiven Kapazität
von Patienten mit Hirnverletzungen (White 2006),
zur psychiatrischen Beurteilung von Patienten
mit komplexen psychischen Gesundheitsproblemen
(Welsh und Lyons 2001) und zur multidisziplinären
Beurteilung des Fortschritts identifiziert
und verwendet bei der Entlassungsplanung
betreffend Patienten
in Neurorehabilitation (Greenhalgh et al. 2008).
Diese o.g. Beispiele tragen dazu bei,
die Legitimität von implizitem Wissen zu etablieren
und ein neues epistemisches Potenzial zu entwickeln
für das Verständnis von Kompetenz, Fachwissen
und angewandte Daseinsversorgung in der klinischen
und ambulanten pflegekulturellen Praxis.
Implizites Wissen sollte dabei nicht allzu streng
gefasst werden als „situatives Verstehen“ (Gordon 1988 : 272)
weil damit einseitig eine nur intrasituative, instantan
aufweisbares Ereignis im pflegerischen Ereginisfeld
konzeptualisiert wird, das als plausible Einschätzung
zwecks kommunikatives bedarfspflichtiges Handeln
Anlass gibt und als effektiver und effizienter
Impuls zumeist resultiert aus umfangreichen Begegnungen
mit konkreten Situationen der klinischen Praxis,
aber trotzdem behaupten wir, dass die ursprüngliche und soziokulturelle Bedeutung des Körpers in der
Gefahrenzone abzurutschen drohnt,
unbeabsichtigt und vernachlässigt zu werden:
signifikant bei Willem de Kooning
der mit 92 Jahren verstarb und litt unter
Alzheimer-Demenz; mit seiner Umwelt konnte
er kaum adäquat reagieren - und schuf
trotzdem in seiner letzte Lebensphase
ca. 300 Kunstwerke. Weniger als Ausdruck
kreativer Spontanität "aus seiner Situation heraus"
als Ausdruck einer Bemerkung Valérys:
„Der Maler nimmt seinen Körper mit sich,“
was der berühmte französische Schrftsteller
verwendete, um "die Verkörperung des Sehens"
ebenso präzise wie prägnant zu betonen
und uns geläufig ist im Begriff "know-how".
Dabei wird bekanntlich der Körper
als „generatives, schöpferisches
Verstehensvermögen“ behandelt –
als eine Art körperliches Bewusstsein –
als praktische Vernunft,
die primär auf körperliche Weise existiert.
Bourdieus Theorie der Logik der Praxis (1977 , 1990)
expliziert auf diese Weise seine Quellenverständnis
in Sachen "impliziten Wissens", das,
als Habituslogik, wie wir argumentieren,
als Pflegeroutine dient.
Rsultierend als ein Mixur aus verschiedene
„Fürsorgegewohnheiten"
mit eine innere ‚Logik‘, die, sorgsam
und achtsam im Pflegealltag impliziert,
die Pflegepraktiker eine mitfühlende,
verkörperte Verbindung
zu ihren Pflegebedürftigen gibt.
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